Ohne OP kleine Schönheitsmakel ausbessern und frisch aussehen: Experte Dr. Benjamin Gehl erklärt im Interview, in welchen Bereichen minimalinvasive Eingriffe mit Hyaluronsäure eingesetzt werden können – und mit welchen Kosten Patienten rechnen müssen.
Dr. Benjamin Gehl ist Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie in Wien und hat langjährige Erfahrung im Bereich der Rekonstruktion, Mikrochirurgie sowie der Korrektur von Fehlbildungen. Dr. Gehl arbeitete bereits in seiner Zeit als Leiter der Station für schwerbrandverletzte Kinder in Lübeck viel mit Hyaluronsäure und setzt den Wirkstoff in seiner Praxis „The Aesthetics“ seit Jahren auch im Bereich der Schönheitschirurgie ein.
Heute ist Dr. Benjamin Gehl als plastischer Chirurg in Wien sowie als medizinischer Experte bei Mooci tätig, einem Start-up, das in Zusammenarbeit mit Medizinern und Juristen ein Gütesiegel für ästhetische und rekonstruktive Medizin entwickelt hat. Im Interview erklärt der Experte, weshalb minimalinvasive Eingriffe mit Hyaluronsäure zu einem Trend in der ästhetischen Chirurgie geworden sind und welche Vor- und Nachteile Eingriffe mit Hyaluronsäure im Vergleich zu Botulinumtoxin (z.B. Botox, Anm. d. Red.) oder klassischen Schönheitsoperationen haben.
Sie arbeiten viel mit Hyaluronsäure. Welche Vorteile haben Beauty-Eingriffe mit diesem Wirkstoff im Gegensatz zu „klassischen“ Schönheits-OPs?
Dr. Benjamin Gehl: Der Trend geht momentan hin zu den nicht-operativen Techniken. Früher wurde jeder Eingriff operativ vorgenommen, später verwendete man dann Eigenfett. Obwohl das verwendete Fett körpereigen und damit natürlich ist, hat man bei dieser Methode mehrere Nachteile: Neuesten Erkenntnissen zufolge können biologische Füllstoffe wie Fett, das eine hohe Stoffwechselaktivität aufweist, beispielsweise die Krebsbildung in der Brust fördern. Zudem ist Fett eine flüssige, nicht vernetzte Substanz: Volumen kann gefüllt, aber nicht angehoben werden und zieht nach einer gewissen Zeit durch das Gewicht nach unten.
Hyaluronsäure dagegen ist vernetzt, leichter und hat einen Hebeeffekt. Die Substanz ist dem körpereigenen Schmiermittel in den Gelenken nachempfunden und wird heute synthetisch mithilfe von Bakterien hergestellt. Der große Vorteil von Hyaluronsäure ist, dass sie sich mit der Zeit abbaut. Je nachdem, wie stark die Vernetzung ist, desto länger hält das Ergebnis. Nach einer gewissen Zeit „bricht“ das Produkt und wird vom Körper ausgeschieden, das gebundene Wasser wird abtransportiert. Damit soll dem Patienten aber kein Nachteil geschaffen werden – ganz im Gegenteil: Der natürliche Altersprozess schreitet verschieden fort. Ein permanenter Filler passt sich nicht an und wirkt so mit den Jahren unnatürlich. Hyaluronsäure kann dagegen durch ihre Haltbarkeit immer wieder gezielt gesetzt und an die Bedürfnisse angepasst werden.
Welche Anwendungsbereiche für Hyaluronsäure gibt es?
Die Haut und gerade das Gesicht verändern sich mit der Zeit und werden in drei Dimensionen geteilt. Die erste und oberste Dimension ist die Haut, die mit der Zeit das körpereigene Hyaluron verliert. Spritzt man Hyaluronsäure in die Dermis, wird Wasser gebunden. Dadurch erlangt die Haut Spannkraft zurück und Trockenheitsfältchen verschwinden. Die Verwendung von nicht vernetzter Hyaluronsäure, schafft dabei eine gleichmäßige Oberfläche.
Die zweite Dimension ist das Fettgewebe: Mit dem Alter baut es ab, gerade das Wangenfett ist davon betroffen. Um den entstehenden müden Ausdruck zu vermindern, braucht es einen Hebeeffekt. Eigenfett würde dabei nach einer gewissen Zeit hängen, vernetztes Hyaluron dagegen formt.
Die dritte Dimension ist der Knochen: Auch er baut mit der Zeit ab und gibt dem Gesicht eine andere Form. Betroffen ist dabei beispielsweise der Kiefer: Knochenvolumen an der Nase wird abgebaut, der Oberkiefer wird länger und die Oberlippe rollt nach innen. Wenn man auf dieser Ebene einen hebenden Filler unterspritzt, kann das Gesicht auf seine natürliche Ebene und Form zurückgebracht werden.
Hyaluronsäure bietet also in vielen Bereichen eine ideale Alternative zu operativen Eingriffen: Man hat die Möglichkeit, Narben zu korrigieren oder rekonstruktive Eingriffe vorzunehmen, beispielsweise nach der Entfernung eines Tumors. Dellen oder fehlendes Gewebe am Körper können aufgefüllt werden, die Lippen können auf Wunsch natürlich vergrößert werden. Zudem wird der Wasserstoffwechsel der Haut über viele Jahre verbessert. So ist es durchaus möglich, dass der Alterungsprozess verlangsamt und ein „richtiges“ Facelifting überflüssig wird.
Kann man außer Nase, Wangen und anderen „Problembereichen“ im Gesicht beispielsweise den Po unterspritzen bzw. anheben lassen oder Cellulite bekämpfen?
Trotz der entstehenden Dellen bei einer Cellulite ist es nicht möglich, diese Defizite mit Hyaluronsäure zu behandeln. Der Grund dafür ist einfach: Die Medizin beschäftigt sich immer mit der Ursache einer Erscheinung – bei der Cellulite ist dies nachweislich eine Bindegewebsfaser von der tiefen Muskelfaszie zur Haut. Jede dieser Fasern zieht eine Delle in die Haut. Durch die Dynamik des Körpers wird die Delle so immer wieder produziert, auch nach einer Behandlung mit Hyaluronsäure.
Auch die berühmte Zornesfalte lässt sich mit Hyaluronsäure nicht vollständig glätten. In diesem Bereich des Gesichtes liegt eine Endast-Arterie. Würde man dort Hyaluronsäure zu tief injizieren, kann sich einerseits eine Durchblutungsstörung der Stirn bilden, andererseits besteht die Gefahr des Erblindens, sofern der Anwender die Anatomie und die Gefäße nicht ausreichend kennt. Entgegen dem Irrglauben, man könne die beiden Falten zwischen den Augenbrauen mit Hyaluronsäure auffüllen, funktioniert das nicht: Die Zornesfalte entsteht durch zwei Muskeln (Korrogatoren), die sich zusammenschieben und so eine Furche bilden. Der Effekt einer Behandlung mit Hyaluron ist bereits nach drei bis vier Bewegungen wieder verschwunden und verschlimmert die Falte im Gegenzug: Das ‚weggeschobene’ Hyaluron verbleibt neben der Falte und wird erst nach mehreren Monaten abgebaut. Was in diesem Fall erfolgsversprechend ist, ist die Behandlung mit Botox, um die Muskulatur zu schwächen und zu glätten.
Die Vergrößerung der Brust mit Hyaluronsäure ist vorstellbar, aber nicht zugelassen. Durch die Beschaffenheit der weiblichen Brust kapselt sich die große Menge Hyaluron ab, verändert sich und wird nicht schön in die Haut eingebaut.
Den Po kann man jedoch liften: Hier gibt es eine neue Art von Hyaluronsäure, die mit dem Bindegewebe eine Bindung eingeht und so den Po hebt.
Hyaluronsäure und Botulinumtoxin: Was ist der Unterschied?
Hyaluronsäure wurde und wird primär in der rekonstruktiven Chirurgie angewendet und kann in arthrotische Gelenke gespritzt werden. Hyaluronsäure behandelt zwar nicht die Ursache einer Arthrose, lindert als Schmiermittel zwischen den Gelenken aber den Schmerz. Botulinumtoxin (z.B. Botox, Anm. d. Red.) wird eigentlich eingesetzt, um Spastiken zu behandeln. In der ästhetischen Chirurgie wird es für die Behandlung von Krähenfüßen, Zornesfalten oder dem sogenannten Pflastersteinkinn verwendet. Da Botox nur am Muskel bzw. am Nerv wirkt, ergeben sich hier keine Vorteile für das Fettgewebe. Bei Hyaluronsäure ist es genau andersherum: Sie füllt nur auf und wirkt wie ein Polster, geht aber keine Bindung mit den Nerven ein. Die Medien deklarieren oft, dass Hyaluronsäure gut und Botox schlecht ist. Verwendet man die richtige Dosis, ist das aber nicht der Fall. Je nach Dicke und Einheit des Präparats bauen sich beide Stoffe innerhalb von sechs bis acht Monaten ab.
Gibt es Nebenwirkungen bei der Anwendung von Hyaluronsäure?
Hyaluronsäure hat den Vorteil, dass man mit dem kleinsten Aufwand das größt- und bestmögliche Ergebnis schaffen kann. Natürliche Ergebnisse oder auf Wunsch auch etwas formendere Eingriffe sind mit dem medizinischen Gedanken vereinbar: Die Hyaluronsäure schadet dem menschlichen Körper nicht, es bestehen keine Allergien oder Nebenwirkungen.
Die größte Komplikation ist der Anwender: Wird im Gesicht in der falschen Region Hyaluronsäure in ein Gefäß injiziert, kann dies zur Blindheit führen und ist in den meisten Fällen nicht mehr wiederherzustellen. Aus diesem Grund ist Hyaluronsäure an der Stirn prinzipiell nicht erlaubt. So ist es auch bei Botox, dem sogenannten „Nervengift“. In der richtigen Dosis gibt es hier keine Komplikationen. Ein gutes Beispiel ist noch einmal die Behandlung von Spastiken: Während hier hunderte bis tausende Einheiten Botox verwendet werden, sind es bei einer Behandlung im Gesicht lediglich 25 bis 50.
Sind Beauty-Eingriffe mit Hyaluronsäure schmerzhaft?
Der Eingriff kann mit einer Betäubung durchgeführt werden, ist prinzipiell aber auch ohne möglich. Der Patient wird außer einem leichtem Brennen keinen Schmerz spüren. Das Brennen entsteht durch den sauren pH-Wert der Hyaluronsäure.
Wie schnell nach dem Eingriff ist das finale Ergebnis sichtbar?
Bei der Hyaluronsäure sehen Sie unmittelbar ein Ergebnis, bereits beim Injizieren kann man beobachten, wie sich die Haut aufpolstert.
Stichwort Nasenkorrektur: Mit Hyaluronsäure kann man die Nase optisch begradigen lassen, ohne, dass es einer operativen Korrektur bedarf. Wie läuft der Eingriff ab – und kann sie bei jeder Nasenform angewendet werden?
Um die Nase zu begradigen oder zu verändern, brauchen Sie vor allem eine Voraussetzung: Es muss ein Volumendefizit vorhanden sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn Sie einen Höcker haben oder eine abfallende Nasenspitze. Eine breite Nase kann man mit Hyaluronsäure aber nicht verkleinern. Um die Nase zu begradigen, spritzt man Hyaluronsäure in die abfallenden Stellen, beispielsweise vor und nach dem Höcker und polstert diese Bereiche auf.
Welche Hyaluronsäure-Anwendung lassen Ihre Patientinnen am häufigsten vornehmen?
Die meisten Patientinnen haben vor allem zwei Wünsche: Sie wollen weniger böse und weniger müde aussehen. Mehr Freundlichkeit im Gesicht erreicht man durch die Unterspritzung der Zornesfalte mit Botox. Die abfallende Augenbraue, die das Auge klein und ebenfalls weniger freundlich aussehen lässt, kann man mit Hyaluron an zwei Einspritzstellen anheben und so den Blick öffnen. Der zweite Wusch ist, weniger müde auszusehen. Hier füllt man die Tränenrinne und die Nasolabialfalte, also die Falte zwischen Nasenflügel und Mundwinkel, auf.
Wie lange hat man durchschnittlich etwas von den Ergebnissen?
Dicke und langsam abbauende Hyaluronsäure wird auf Knochenebene verwendet, hier kann man mit einer Haltbarkeit von etwa 8 Monaten rechnen. Die Patientin nimmt beim Blick in den Spiegel aber natürlich eher die Oberfläche wahr, hier baut sich die Hyaluronsäure nach etwa 5 bis 6 Monaten ab. Frischt man die Behandlung auf, braucht es weniger Hyaluronsäure. Der durchschnittliche Patient kommt ca. zwei Mal im Jahr, um seine Behandlung erneuern zu lassen, aber auch mit einer einmaligen Behandlung von ungefähr 390 Euro pro Jahr kann man bereits tolle Ergebnisse erzielen.
Mit welche Kosten muss man für eine Beauty-Behandlung mit Hyaluronsäure rechnen?
Mit einem Milliliter Hyaluronsäure kann man fast das gesamte Gesicht behandeln. Im Verkauf kostet ein Milliliter momentan 390 Euro. Dass man so wenig Produkt benötigt, liegt vor allem auch daran, dass in die richtige Zone und Tiefe injiziert wird, sodass die Säure trotzdem ihre bestmögliche Wirkung entfalten kann. Je nach Wunsch liegt der Preis für eine Behandlung daher zwischen 250 und 800 Euro.