Synthetische Bestandteile von Kosmetikprodukten stehen in Verdacht, den Hormonhaushalt zu beeinflussen. Wir erklären, wie gesundheitsschädlich chemische Substanzen in Duschgel, Handseife oder Make-up wirklich sind – und woran Sie bedenkliche Inhaltsstoffe erkennen.
Versteckte Gefahr in Mascara, Hautcreme und anderen Schönheitshelfern? Seit einigen Jahren haben Paraffine, Parabene und andere chemisch produzierte Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten zumindest ein zunehmendes Imageproblem. Denn angeblich machen Hautcremes, Make-up und andere Produkte, in denen sie enthalten sind, nicht schöner, sondern krank. Was genau hinter diesem Vorwurf steckt, welche synthetischen Substanzen wie auf den Körper wirken und woran Sie kritische Inhaltsstoffe erkennen, erklären wir im DONNA-Online-Kosmetikratgeber.
Seit 2013 ist die Diskussion um synthetische Inhaltsstoffe wie Silikone, Parabene oder Paraffine ein hitzig diskutiertes Thema in der Kosmetikbranche. Denn in diesem Jahr veröffentlichte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Studie über die Inhaltsstoffe von über 60.000 Kosmetikprodukten auf dem deutschen Markt. Knapp ein Drittel der damals untersuchten Kosmetika enthielten als hormonell wirksam geltende Substanzen. Die sogenannten endokrinen Disruptoren, die auch als Xenohormone bezeichnet werden, verändern nachweislich das Hormonsystem des Menschen und können so zu gesundheitlichen Schäden führen.
Die BUND-Studie basiert auf der Prioritätenliste der Europäischen Union für hormonell wirksame Substanzen in Kosmetik. Die 16 gelisteten Stoffe will die EU in den nächsten Jahren genauer zu ihren Auswirkungen auf den menschlichen Körper prüfen. Zum Teil wurden sie jedoch noch nicht vollständig hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Risiken ausgewertet. Infolge der BUND-Studie kritisierte der Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen (BDIH) in einer Stellungnahme deshalb, dass die Aufnahme der erforschten chemischen Substanzen in die EU-Liste nicht ihre Wirkung als endokrine Disruptoren belegt und rät dazu, die Studienergebnisse mit Vorsicht zu genießen.
Am höchsten war der nachweisbare Anteil an möglicherweise hormonell wirksamen Stoffen in den Produktkategorien Haarwachs (in 36 Prozent der geprüften Produkte), Sonnenschutz (33 Prozent), Rasierschaum, -gel und -creme (30 Prozent), Lippenstift und Lipgloss (27 Prozent) und Zahnpasta (20 Prozent). Drogeriemarken, Marktführer und hochpreise Kosmetik aus dem Luxussegment waren dabei zu ähnlichen Anteilen betroffen. Lediglich reine Naturkosmetikprodukte waren gänzlich frei von den hormonell wirksamen Substanzen.
Wie ernst man die Schlussfolgerungen der BUND-Studie und die damit verbundene Diskussion über Parabene und andere chemische Substanzen in Kosmetik nimmt, bleibt jedem Verbraucher selbst überlassen. Dennoch kann eine gewisse Vorsicht bei Kauf und Verwendung von Kosmetik nicht schaden – genauso wenig wie ein Bewusstsein dafür, welche Inhaltsstoffe genau Sie mit Produkten wie Foundation, Haarspülung und Sonnencreme tagtäglich auf Ihre Haut auftragen. Was Silikone, Parabene und andere chemische Kosmetikbestandteile im Körper bewirken können, erfahren Sie hier.
Alles, was wir auf die Haut schmieren, kann ins Innere unseres Körpers gelangen. Haarwachs, Sonnencreme und Deodorant – also Kosmetikprodukte, die lange Zeit auf der Haut und in den Haaren verbleiben – sind deshalb grundsätzlich als riskanter einzustufen als solche, die nach der Anwendung wieder abgewaschen werden – zum Beispiel Shampoo, Haarspülung, Seife oder Duschgel. Über die Haut gelangen Inhaltsstoffe wie die umstrittenen Parabene, deren chemische Struktur körpereigenen Hormonen wie dem weiblichen Sexualhormon Östrogen ähnelt, in das Hormonsystem. Vor allem für Schwangere, Teenager, Kleinkinder und Embryos im Mutterleib kann dieser Einfluss fatal sein und die natürliche Entwicklung stören.
Parabene stecken hauptsächlich in Form von Methylparaben, Propylparaben, Ethylparaben und Butylparaben in Kosmetikprodukten und Medikamenten. Die Substanzen wirken als Konservierungsmittel – je flüssiger das Produkt ist, desto höher der Parabenanteil. Denn der hohe Wasseranteil vieler Kosmetika bietet Bakterien und Keimen einen idealen Nährboden. Ohne Konservierungsmittel laufen Shampoo, Duschgel und Co. Gefahr, nach dem Öffnen schnell ihre Farbe, Konsistenz und ihren Geruch zu verändern und im schlimmsten Fall sogar gesundheitsschädlich zu werden. Die einfachste (und meist preisgünstigste) Methode in der Kosmetikindustrie, um Produkte möglichst lange haltbar zu machen, ist daher der Zusatz chemisch hergestellter Parabene.
Auch andere synthetische Substanzen, etwa das in Sonnencreme als UV-Filter verwendete 4-Methylbenzylidencampher oder der Stoff Resorcinol, der in Haarfärbemitteln steckt, können zur unsichtbaren Gefahr für den Körper werden. Diese Stoffe stehen nicht nur in Verdacht, Einfluss auf den Hormonhaushalt zu nehmen, sondern auch eine reduzierte Fruchtbarkeit bis hin zur Unfruchtbarkeit zu verursachen und hormonbedingte Krebsarten wie Brustkrebs, Hoden- und Prostatakrebs oder Schilddrüsenprobleme auslösen zu können. Daneben gilt als wahrscheinlich, dass die hormonell wirksamen Inhaltsstoffe von Kosmetik auch das Risiko erhöhen, an anderen Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Altersdiabetes zu erkranken. Aussagekräftige medizinische Studien zu diesen gesundheitlichen Gefahren gibt es jedoch bislang nicht.
Zur Langzeitwirkung von hormonell aktiven chemischen Substanzen gibt es bisher keine verlässlichen Studienergebnisse. Und genau darin liegt das Problem: Kein Experte kann sicher vorhersagen, wie sich die Kosmetika auf Ihren Körper auswirken. Dass sich der Gebrauch beispielsweise von parabenhaltigen Cremes im Organismus bemerkbar macht, ist laut BUND-Studie dagegen nachweisbar: „Tatsächlich weisen Wissenschaftler im menschlichen Blut regelmäßig eine ganze Reihe hormonell wirksamer Chemikalien nach, darunter auch Parabene und UV-Filter aus der Kosmetik. Dabei werden teilweise bereits Konzentrationen erreicht, die im Tierversuch zu Gesundheitsschäden geführt haben.“
Alleine verwendet werden synthetische Stoffe wie Resorcinol, Methylparaben und Co. allerdings nicht als akut giftig eingestuft. Zudem beschränken gesetzliche Richtlinien die Dosierungsmenge auf einen gesundheitlich ungefährlichen Anteil. Die zulässige Konzentration von Propyl- und Butylparaben in Duschgelen beispielsweise ist auf 0,14 Prozent festgelegt – eine gesundheitlich unbedenkliche Dosis. Für Kinderduschgels ist die Verwendung von Parabene in Deutschland inzwischen verboten. Noch weiter geht die Regierung in Dänemark: Dort sind die Konservierungsmittel in Kleinkinderkosmetik, also für Kinder bis drei Jahre, seit 2010 gesetzlich untersagt.
Das Problem der hormonell wirksamen Kosmetikbestandteile zeigt sich jedoch erst im alltäglichen Gebrauch der Produkte: In vielen Kosmetika stecken gleich mehrere endokrine Disruptoren. In Zusammenwirkung mit anderen Produkten setzen sich Verbraucher deshalb einem regelrechten „Chemiecocktail“ aus: Morgens landet zuerst der endokrin wirksame Reiniger auf der Haut, anschließend eine hormonell wirksame Gesichtscreme, vielleicht noch ein Sonnenschutzprodukt mit chemischen Filtern und nicht zu vergessen auch dekorative Kosmetik. Selbst Frauen, die sich kaum schminken und nur eine einfache Gesichtspflegeroutine durchführen, kommen so schnell auf drei bis fünf Produkte am Tag. Sind all diese Kosmetika mit den synthetischen Substanzen angereichert, kann dies bedenkliche Auswirkungen auf den Körper und Hormonhaushalt haben.
Wie hat die Kosmetikbranche auf die Ergebnisse der BUND-Studie reagiert – und wie beeinflussen Parabene und Co. den veränderten Hormonhaushalt bei Frauen in den Wechseljahren? DONNA Online sprach mit Dr. Mandy Hecht, Chemikerin, Inhaltsstoffexpertin und wissenschaftliche Leiterin des Inhaltsstoff-Portals CodeCheck:
DONNA Online: Können Sie Tendenzen erkennen, dass Hersteller seit Veröffentlichung der BUND-Studie im Jahr 2013 den Einsatz bedenklicher Chemikalien reduziert haben oder sogar ganz darauf verzichten?
Dr. Mandy Hecht: Nein, wir von CodeCheck können das bei den meisten Herstellern bisher nicht erkennen. Nach wie vor werden Inhaltsstoffe eingesetzt, die in Verdacht stehen, den Hormonhaushalt zu beeinflussen.
Welche Alternativen gibt es zu Konservierungsstoffen wie Parabenen?
Wir haben beobachtet, dass in vielen Produkten, die heute mit dem Zusatz „ohne Parabene“ gekennzeichnet sind, Methylisothiazolinon zum Einsatz kommt. Diesem Konservierungsstoff wird zwar keine hormonelle Wirksamkeit nachgesagt, das Risiko einer Allergie oder sogar Sensibilisierung bei Methylisothiazolinon ist im Vergleich zu Parabenen aber bis zu fünfmal höher. Wer empfindliche Haut oder eine Neigung zu Allergien hat, sollte also auf Methylisothiazolinon verzichten.
Im Naturkosmetikbereich verwenden Hersteller weniger kritische Stoffe. Die wichtigsten konservierenden Zutaten sind hier Alkohol und ätherische Öle. Zudem sind die Verpackungen bei guter Naturkosmetik so gestaltet, dass der direkte Kontakt mit der Haut vermindert und der Entwicklung von Keimen somit vorgebeugt wird. Das bedeutet: Glasspender oder Alutube statt Plastiktiegel oder -tube: Plastiktuben ziehen nach dem Herausdrücken des Inhalts Luft und damit Keime an. Und anders als bei einem Tiegel können in einen Glasspender keine Finger in die Creme getaucht werden.
In den Wechseljahren durchlebt der weibliche Körper enorme hormonelle Schwankungen. Sollten Frauen in dieser Phase hormonell wirksame Kosmetik besonders meiden?
In den Wechseljahren reguliert sich der Hormonhaushalt neu. Das Sexualhormon Progesteron wird in immer geringen Mengen produziert und auch der Spiegel des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen sinkt deutlich ab. Im Gegenzug dominieren männliche Hormone stärker. In dieser Zeit sollte man den Körper mit hormonähnlichen Substanzen nicht noch weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Das gilt gerade für Produkte, die man großflächig auf die Haut aufträgt – etwa Duschgels, Sonnencreme oder Bodylotions. Oder auch Cremes, die man häufig großflächig auf Gesicht und Dekolleté verteilt.
Die BUND-Studie bezieht sich vorrangig auf Parabene. Wie schätzen Sie die Wirkung der ebenso in Verruf geratenen Paraffine und Silikone in Kosmetik und Make-up ein?
Das ist tatsächlich nochmal eine ganz andere Thematik. Aber auch diese erdölbasierten Stoffe bewerten wir von CodeCheck als nicht empfehlenswert. Silikone legen sich wie ein Film auf die Haut oder das Haar. Da dies die Regenerationsfähigkeit hemmt anstatt sie zu unterstützen, kann die regelmäßige Anwendung langfristig zu schlaffem Haar oder trockener, fahler Haut führen und die Entstehung von Falten begünstigen.
Paraffin, oft auch unter „Hydrogenated Polyisobutene“ in der Inhaltsstoffliste zu finden, ist ein Destillat aus Erdöl und liefert in Kosmetika als Wachs- oder Ölkomponente den nötigen Fettanteil. Allerdings legt sich die Fettschicht über die Poren und kann, insbesondere bei reifer Haut, zu Unreinheiten führen. Problematisch ist auch, dass Paraffine die Penetration anderer Stoffe über die Haut verstärken. So können Wirkstoffe, aber eben auch bedenkliche Stoffe stärker in die Haut eindringen.
Welche Tipps geben Sie Frauen, die den Überblick im Wirkstoff-Dschungel behalten wollen, welche Inhaltsstoffe bedenklich sind und welche nicht?
Lesen Sie sich stets die Inhaltsstoffe auf der Verpackungsrückseite durch. Parabene erkennen Sie direkt am Wort selbst. Silikone an den Endungen “cone” oder “xane”. Sehen Sie viele Stoffe die mit “Poly” anfangen oder enden? Finger weg, denn hier sind wahrscheinlich synthetische Polymere oder sogar Mikroplastik enthalten. Wem das alles zu kompliziert ist, kann sich auch die kostenlose CodeCheck App herunterladen. Einfach den Barcode bzw. die EAN-Nummer von Kosmetika oder Lebensmitteln scannen: In wenigen Sekunden erfährt man übersichtlich, welche Stoffe enthalten sind und wie sie wirken.
Was raten Sie Frauen, die trotz eventuell enthaltener Parabene nicht ganz auf ihre Lieblingsprodukte verzichten möchten?
Für Parabene in Kosmetika gelten gewisse Grenzen – sie dürfen pro Produkt nur in sehr geringen Mengen eingesetzt werden. Wer aber ein parabenhaltiges Duschgel mit einer Bodylotion und einem Sonnenschutz kombiniert, der potenziell hormonell wirksame Filter enthält, könnte die für die einzelnen Produkte festgelegten Mindestgrenzen täglich schnell überschreiten. Da sich die Wirkung der Stoffe aus verschiedenen Quellen im Körper aufsummiert, kann so ein gefährlicher Hormoncocktail zusammenkommen. Fangen Sie also an, bewusst auf bestimmte Inhaltsstoffe Ihrer Kosmetik zu achten, so wie Sie auch auf die Inhaltsstoffe Ihrer Lebensmittel achten. Sie müssen nicht von heute auf morgen alles umstellen, sondern Stück für Stück. Reduzieren Sie die hormonell wirksamen Substanzen auf ein absolutes Minimum und verzichten Sie – optimalerweise – ganz darauf.