Persönlichkeiten

Neues Selbstbewusstsein – Teil 2: Britt Kanja

Britt Kanja in einem gelben Outfit. | © Matthias Nareyek, Getty Images
© Matthias Nareyek, Getty Images
Sie wird oft als „Audrey Hepburn Berlins“ bezeichnet: Interview mit der Künstlerin Britt Kanja

Zu Selbstbewusstsein findet man oft erst in der zweiten Lebenshälfte. Die Geschichten dieser fünf Frauen machen Mut, zu sich und seinen Ecken und Kanten zu stehen. Teil 2: Künstlerin Britt Kanja

Zu Selbstbewusstsein findet man oft erst in der zweiten Lebenshälfte. Die Geschichten dieser fünf Frauen machen Mut, zu sich und seinen Ecken und Kanten zu stehen. Teil 2: Künstlerin Britt Kanja

Wenn ich mit meinem Tretroller durch die Nachbarschaft fahre, grüßen viele. Ich fühle mich hier von den Menschen geliebt. „Elfe“ sagen sie zu mir oder „Audrey Hepburn Berlins“. Mode? Ist für mich Leidenschaft. Aber auch seelische Schönheit. Ich mag es, wenn alles aus einem Guss ist. Was fehlt, kreiere ich selbst. Dann male ich z. B. Schuhe an oder gestalte Taschen zu Kunstobjekten um. Die Liebe zu sich selbst ist im Leben entscheidend, finde ich. Nicht Ich-Bezogenheit, sondern die Fähigkeit, seine Gaben zu erkennen. Ich kann sehr gut mit Farben, Formen und Materialien umgehen. Das war schon als Kind so. Bloß schön angezogen zu sein, hab ich gehasst. Mit 14 wurde ich dann expressiv. Begann, mir Kleider aus Secondhandläden zu suchen und die umzuarbeiten. Klar musste ich mir auf der Straße böse Sprüche anhören – aber ich konnte mich einfach nie auf diese Art anpassen. Das entspricht nicht meiner Natur.

In der Hinsicht bin ich mir treu geblieben, und wenn heute jemand schief guckt, lächle ich einfach und die Boshaftigkeit ist meist wie weggewischt. „Oh, eine Fee“, sagen viele dann. Bin ich ja auch – ich hole sie aus ihrem engen Denken raus. Berlin ist meine Stadt. Hier bin ich geboren, machte meine Tanz-Ausbildung, bis die Liebe irgendwann wichtiger als das Tanzen wurde und ich einen Amerikaner heiratete. Nach fünfeinhalb Jahren wurde die Ehe annulliert. Ich kam zurück, ohne einen Cent. Obwohl damals das triste Berlin mit seinen Ego-Trip-Typen nach der Lässigkeit unter kalifornischer Sonne ein echter Kulturschock war, waren da auch tolle Erdenkinder.

Ich lernte Bob Young kennen; der liebte das Expressive wie ich. Wir sind oft tanzen gegangen. Überall gab es Einzelne, die Freude suchten. Und wir wollten einen Ort für diese Schöngeistigen schaffen. Tja, das wurde der Club „90 Grad“. Ein Selbstläufer. Bis 2005 habe ich dort noch einmal im Monat eine Party organisiert – bis es langsam etwas anstrengend wurde.

Doch ruhiges Rentnerdasein? Nee, das wäre für mich der größte Horror. Ich schrieb mich in der Medienakademie ein, erlernte die Grafik- und Filmwelten. Das war das Härteste, was ich mir je angetan habe. Inzwischen mach ich Filme und Multimedia-Installationen. Nächstes Jahr hab ich eine Ausstellung mit Bildern. Schmuck entwerfe ich auch. Für mich ist alles, was ich tue, spielerisch. Jene, die auf Kosten des Lebens ihr Leben einrichten und dann Verlorene in der Eile der Zeit sind – das ist nicht meins. Ich bin lieber im Fluss und lerne jeden Tag in glücklicher Gelassenheit, ich selbst zu sein. Bei großen Erfolgen bin ich mir stets bewusst gewesen, dass jeder Erfolg eine Herausforderung an die Bescheidenheit ist. Und was ich wirklich brauche, kommt sowieso zu mir.

Tatsächlicher Reichtum bedeutet für mich, lebensbereichernde Ideen umsetzen zu können – und auf Gleichgesinnte zu treffen, mit denen Gestaltung möglich ist. Gemeinschaft zu erzeugen, ist Teil meines Seins. Diesbezüglich bin ich reich beschenkt worden. Just let the sparks fly!