Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, hat zwar im Kindes- und Jugendalter ihren Ursprung, kann aber auch bei Erwachsenen vorliegen. DONNA Online erklärt die typischen Symptome und möglichen Therapieansätze.
„Ihr Kind ist aber ein Rabauke. Das hat wohl ADHS, oder?“ Solche oder ähnliche Kommentare scheinen heutzutage sogar fremden Menschen leicht über die Lippen zu kommen. Tatsächlich ist die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung in aller Munde, nur leider viel zu selten mit fundiertem Fachwissen. Dass auch Erwachsene davon betroffen sind, ist hingegen – außer der Pharmaindustrie – nur wenig bekannt.
In Deutschland leben laut Angaben des Robert Koch Institut (RKI) ungefähr fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen mit der Diagnose, weitere fünf Prozent zeigen Anzeichen, die nach den internationalen statistischen Klassifikationen von Krankheitssymptomen ICD-10 und DSM-IV vor allem Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit als Hauptsymptome umfassen. Bei einem Teil der Betroffenen bleibt die Störung auch noch im Erwachsenenalter bestehen, man geht von geschätzten 30 bis 50 Prozent aus. Die Häufigkeit von ADHS bei Erwachsenen liegt nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bei etwa drei Prozent.
Oft wissen viele Erwachsene nicht, dass sie an dieser Verhaltens- und emotionalen Störung erkrankt sind – vor allem, weil der Übergang von normalen Konzentrationsschwierigkeiten zur Diagnose ADHS meist fließend ist. Doch es gibt Anzeichen und Diagnosetechniken, mit der die Erkrankung festgestellt werden kann. Erfahren Sie bei DONNA Online, auf welche Symptome Sie achten sollten und wie ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert und behandelt wird.
Um die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ranken sich zahlreiche Mythen. Entgegen vieler Kritiker handelt es sich bei der Erkrankung nicht um eine „Modekrankheit“ oder „Neuerfindung“, die durch eine intolerante und leistungsorientierte Gesellschaft entstanden ist. Bereits in der Geschichte des Zappel-Philipp, die 1844 im Buch „Struwwelpeter“ erschien, schilderte der Nervenarzt Heinrich Hoffmann die Symptome von ADHS. Dass die Erkrankung heutzutage ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt ist, hat wohl eher damit zu tun, dass die Symptome bei Kindern, die oft einen völlig anderen Ursprung haben, unter den Anforderungen der heutigen Gesellschaft einfach stören. Die Ursachen für ADHS bei mangelnder Erziehungskompetenz und Reizüberflutung zu suchen, ist ebenso wenig haltbar wie die Vermutung, ADHS lasse sich nicht zuverlässig diagnostizieren.
Viele Symptome der ADHS bei Erwachsenen werden oft nicht mit der Grundstörung in Verbindung gebracht, so dass eher die Begleitsymptome der Erkrankung wie Depressionen, Suchtverhalten oder Ängste behandelt werden. Während die Hyperaktivität im Alter meist nachlässt, sind es vor allem die Aufmerksamkeitsdefizite, mit denen an ADHS erkrankte Erwachsene zu kämpfen haben.
Grundsätzlich fällt es Menschen, die von der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung betroffen sind schwer, sich zu konzentrieren. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass sie schlechte Zuhörer, vergesslich und unaufmerksam sind. Es verlangt viel von ihnen, an einer Sache „dranzubleiben“ und sich im Alltag zu organisieren – sei es Rechnungen fristgerecht zu begleichen, Termine einzuhalten oder Prioritäten zu setzen.
Auf der anderen Seite sind auch Erwachsene mit ADHS impulsiv. Das Infoportal „gesundheitsinformation.de“ des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beschreibt, wie sich diese Symptomatik äußern kann: „Erwachsene mit ADHS reden viel und unterbrechen andere oft. Manche bekommen schnell Ärger, beenden voreilig Beziehungen, wechseln von jetzt auf gleich den Job oder kündigen, bevor sie eine neue Stelle haben. Auch im Straßenverkehr kann es zu Schwierigkeiten kommen, etwa durch rücksichtsloses Fahren. […] Sie sind leicht reizbar, neigen zu Wutausbrüchen und haben eine niedrige Frustrationstoleranz.“
Über die Ursachen gibt es zwar empirisch gut gesicherte Erkenntnisse, was ADHS wirklich zugrunde liegt, wird aber noch weiter erforscht. Eine Annahme ist, dass es zu einem gestörten Transport des Botenstoffs Dopamin in Bereichen kommt, die für das Lernen und die Gedächtnisleistungen verantwortlich sind. Meist liegt eine genetische Veranlagung für ADHS vor, doch auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle.
ADHS lässt sich auch im Erwachsenenalter zuverlässig durch international anerkannte Diagnosekriterien feststellen, doch häufig wird an der Grunderkrankung „vorbeigedoktert“. Falls also psychische Probleme auftreten, die Ihre Lebensqualitätsehr einschränken, sollten Sie sich an einen Arzt Ihres Vertrauens wenden, der Sie sorgfältig auf die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung hin untersuchen und die richtige Behandlung empfehlen kann.
Die Kriterien für ADHS bei Erwachsenen ähneln denen im Kindes- und Jugendalter. Dazu zählen Auffälligkeiten, die bereits in jungen Jahren begonnen haben, unterschiedliche problematische Lebensbereiche und ein stark beeinträchtigtes Berufs- und/oder Sozialleben. Außerdem sollten mindestens sechs Anzeichen von Hyperaktivität, Impulsivität oder Unaufmerksamkeit erkennbar sein.
Bei der Diagnose von ADHS im Erwachsenenalter kommen störungsspezifische Verfahren zur klinischen Beurteilung wie das Bremer ADHS-Screening, das Wender-Reimherr-Interview (WRI) sowie Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung zum Einsatz. Checklisten zur Diagnostik von ADHS bei Erwachsenen gibt es etwa beim Zentralen ADHS-Netz.
Die Behandlung von Betroffenen ist sehr individuell und sollte unbedingt an deren persönliche Situation angepasst sein. Manchen hilft es bereits, ADHS im Erwachsenenalter mit Entspannungsübungen, Sport und Selbsthilfegruppen in den Griff zu bekommen. Andere Patienten wiederum fahren besser mit einer Psychotherapie, die es ermöglicht, den Alltag besser zu gestalten oder mit ADHS assoziierten Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen umzugehen.
Auch Medikamente mit den Wirkstoffen Methylphenidat oder Atomoxetin, die nur von Fachärzten verschrieben werden sollen, können unterstützend wirken. Wie bei allen medizinischen Präparaten sind die Vorteile mit den Risiken eventueller Nebenwirkungen abzuwägen.
Einige Strategien helfen Betroffenen dabei, ADHS im Erwachsenenalter in Schach zu halten – und erleichtern auch Freunden und Familie den Alltag. Wichtig ist vor allem eine genaue Planung des Tages, wobei wichtige Termine unbedingt vermerkt werden sollten. Hilfe leisten dabei etwa Kalender-Apps für Ihr Smartphone oder ganz klassisch der Terminkalender. Erinnerungslisten und Erinnerungshilfen im Haus können ebenso unterstützend sein wie eine gewisse Routine – wichtige Dinge wie Geldbeutel oder Hausschlüssel sollten immer am gleichen Platz sein. Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor, sondern teilen Sie Aufgaben in kleine, realisierbare Schritte ein.
Ob Sie jemandem von der ADHS-Diagnose erzählen wollen, hängt ganz von Ihnen ab. Viele verschweigen sie vor allem im Berufsleben, da sie arbeitsbezogene Konsequenzen fürchten. Auf Dauer kann es aber auch sehr an den Nerven zehren, ständig auf der Hut zu sein und die Erkrankung zu verstecken. Wägen Sie deshalb ab, was Ihnen gut tut und was Sie am wenigsten belastet. Betroffenen steht zudem eine Bandbreite an fachlichen Unterstützungsangeboten zur Verfügung.
Obwohl die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung eher in der Kindheit angesiedelt ist, gibt es auch für Erwachsene mit ADHS eine Reihe von Ansprechpartnern. Neben Haus- und Fachärzten können bestimmte Einrichtungen und Selbsthilfegruppen den Betroffenen helfen, mit der Erkrankung umzugehen.
Weitere Informationen, Literaturhinweise und Adressen finden Sie unter anderem bei den folgenden Websites:
Zentrales ADHS-Netz mit dem ADHS Infoportal
ADHS Deutschland e.V. – Selbsthilfe für Menschen mit ADHS
ADS-Initiative e.V. – Förderung und Selbsthilfe bei Aufmerksamkeitsdefizitstörung mit / ohne Hyperaktivität
Informationsbroschüre "adhs ... was bedeutet das?" der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)