Sie kommt ganz plötzlich und versetzt Betroffene in Todesangst: die Panikattacke. Erfahren Sie, was im Körper dabei passiert – und wie Sie mit Soforthilfe-Tipps frühzeitig handeln und die Angst in den Griff bekommen.
Oh nein. Da ist es wieder. Die Hände werden feucht, der Atem wird schwer, der Körper scheint zu versteinern. Herzrasen, Schwindel und Schweißausbrüche sind häufige Begleiter. Und es geschieht von einer Sekunde auf die andere… Wenn jemand von einer Panikattacke heimgesucht wird, scheint die Angst Überhand zu nehmen, alles ist blockiert – das Denken, das Handeln, die Gefühle. Doch was passiert eigentlich im Körper und wie erkennt man eine Panikattacke? Und noch wichtiger: Was kann man dagegen tun?
Nein, Gefühle sind keine Herzenssache. Der Ursprung aller Gefühle wie Liebe, Zuneigung, Wut, Kummer und auch Angst ist das Zusammenspiel verschiedener Gehirnregionen und Nervensysteme. Hauptprotagonist: das Zwischenhirn, auch Diencephalon genannt. Es hat nicht nur das Sagen über Seh-, Riech- und Hörbahnen, sondern mitunter auch über die Emotionen. Dort findet die Bildung der sogenannten Stimmungshormone Serotonin und Dopamin statt. Und dieser Teil des Gehirns ist äußerst sensibel.
Bei physischen und psychischen Alarmreaktionen muss sich dieser Gehirnteil – evolutionär bedingt – entscheiden, wie er reagiert. Da er sich mit einer anderen Körperregion, der Nebenniere beziehungsweise dem Nebennierenmark, vernetzt, die für die Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol verantwortlich ist (deswegen auch die beschleunigte Atmung), gibt es nur die Auswahl zwischen Kampf oder Flucht. Der Mensch ist heutzutage nicht mehr auf das Kämpfen angewiesen, weshalb meist der Fluchtgedanke siegt. Das Tückische an der Panikattacke: Es handelt sich um einen falschen Alarm, also um eine Reaktion ohne äußeren Anlass wie Gefahr. Das heißt nicht, dass der Betroffene keine Ängste erfährt, im Gegenteil – meist fühlt er sich so, als ob er gleich sterben würde.
Die Symptome reichen von Atemnot, Hyperventilation, Herzrasen über Zittern, Schwindel und Angstgedanken bis hin zum Gefühl des absoluten Neben-sich-Stehens (Depersonalisationsgefühl) und dem Gefühl, dass die Umgebung irgendwie unwirklich erscheint (Derealisationsgefühl).
Die Ursachen für die Fehlinterpretationen der körperlichen und emotionalen Wahrnehmung sind vielfältig. So spielen nicht nur Rauschmittel wie Cannabis und Alkohol eine Rolle, sondern auch hoher Stress und psychische Erkrankungen wie eine posttraumatische Belastungsstörung, ausgelöst durch Krankheit, Verlust oder Gewalt. Die Veranlagung für Angststörungen kann zudem vererbt werden.
Außerdem ist die Erziehung ein Faktor, der sich auf das Risiko einer Panikattacke auswirkt. Wie die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen angelegt ist, hat mit frühen Lernerfahrungen und Erlebnissen zu tun. Waren es vor einigen Jahrzehnten die meist strengen Erziehungsmethoden – vor allem in Verbindung mit körperlicher Gewalt und fehlender Bindung –, sind es heutzutage eher die sogenannten Helikopter-Eltern, die es dem Kind schwer machen, sich und seinem Körper zu vertrauen. Ängste sind absolut natürlich. Man muss aber auch gelernt haben, damit umzugehen. Während in der Steinzeit Flucht oder Kampf noch die Oberhand hatten, sollte in unserer schnelllebigen – und in unseren Breitengraden auch kriegslosen Zeiten – eher die Gelassenheit Vorrang haben.
Eine Panikattacke kann wenige Minuten bis zu etwa 30 Minuten und manchmal – mit abgeschwächten Symptomen – sogar länger anhalten. Wenn die Anzeichen einer Panikattacke nicht erkannt werden, kann sich das Mismatching von Gefühlen und Handeln verschleppen und zum dauerhaften Problem werden. Jedes Mal, wenn eine Panikattacke auftritt, verstärkt sich dann das Gefühl, dass es körperliche Ursachen seien, die für den Zustand verantwortlich sind. Betroffene gehen infolgedessen häufiger zum Arzt, doch dabei bleibt es nicht: Sogar alltägliche Situationen, Orte oder Aktivitäten werden mit der Erfahrung der Angst verknüpft und können so erneute Panikattacken auslösen.
Wenn also die Angst vor der Angst auftritt, spricht man nicht mehr von einer Panikattacke, sondern von einer Panikstörung. Mit dieser Veränderung beginnt für Betroffene ein Teufelskreis: Panikattacken treten nicht mehr plötzlich auf, sondern werden vielmehr von der Person selbst durch die ständige Angst vor einer Panikattacke „heraufbeschworen“. An einer Panikstörung erkrankte Menschen warten in Daueranspannung in alltäglichen Situationen darauf, dass die kleinste körperliche Veränderung die nächste Panikattacke einleitet – und schon ist sie tatsächlich da. Der Auslöser ist hierfür also keine Gefahrensituation oder übermäßiger Stress, sondern ein gestörtes Körperbewusstsein.
Da Panikattacken anfänglich sehr kurz und ohne offensichtlichen Grund auftreten, ist es den Betroffenen oft nicht klar, dass sie eine solche Attacke erleiden. Wie gesagt: Angst ist ein ganz natürlicher und wichtiger Begleiter, Panik dagegen nicht. Die Symptome sind auch recht unspezifisch – wer durchlebt nicht manchmal etwas Herzrasen, Stress oder kleine Depressionen? Das führt aber auch dazu, dass die Diagnose einer Angststörung oftmals erst nach vielen Jahren gestellt wird und die Panikattacken sich bereits manifestiert haben.
Hinzu kommt das Problem, dass Betroffene aufgrund ihrer Angst vor der Angst bestimmte Dinge und Situationen vermeiden. Man will keine Menschen mehr treffen, da die Furcht davor, ausgegrenzt zu werden, größer zu sein scheint. Und auch das weitere tägliche Leben verändert sich: Statt Transportmittel wie Auto, Bus und Bahn zu nehmen, geht man lieber zu Fuß – oder gar nicht mehr vor die Tür. Verreisen wird damit auch ein großes Problem. Diese Erwartungsangst zieht Betroffene immer weiter in die Angstspirale hinein. Akute Lebensgefahr besteht jedoch nicht. Somit stellen Panikattacken vor allem einen großen Einschnitt in die Lebensqualität dar.
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Bei ausgeprägten Formen der Panikstörungen können auch Medikamente und Psychotherapie helfen. Sprechen Sie mit dem Arzt Ihres Vertrauens über eine passende Therapie. Doch auch Selbsthilfe kann bei frühzeitiger Diagnose oder bei häufigen Panikattacken eine Lösung sein. Das Wichtigste: Den Teufelskreis der Angst verstehen, um ihn durchbrechen zu können. Werden Sie aktiv, bleiben Sie nicht passiv!
Angstreaktionen sind nicht gefährlich, sondern für das Überleben wichtig. Wenn aber alltägliche Situationen Panikattacken auslösen, hat sich die Emotionen-Handeln-Reaktion verselbstständigt – und schränkt wirklich ein. Harmlose körperliche Anzeichen kreieren im Gehirn bedrohliche Situationen, als Folge treten Erwartungsängste auf, die diese Symptome noch verstärken.
Herzrasen
Der Gedanke: Ich bin krank
Ich werde sterben
Die Vorstellung erzeugt weitere körperliche Symptome
Bestärkt im Glauben, dass etwas nicht stimmt.
Und so weiter und so fort…
Wer schon länger unter Panikattacken leidet, sollte einen langfristigen Plan aufstellen (die Sofort-Tipps folgen später):
No-Gos: Vermeiden Sie alles, was Panikattacken begünstigen kann, etwa zu viel Koffein, Nikotin oder Alkohol.
Well-Being: Gutes Essen, ausreichender Schlaf und körperliche Bewegung sind gute Garanten für ein panikfreies Leben.
Ehrlichkeit, Stolz und Stärke: Laufen Sie vor der Angst nicht davon – Vermeidung macht die Situation nur noch schlimmer. Und es gibt nichts, weswegen Sie sich schämen müssten.
Vertrauen: Der Körper ist ein faszinierendes System, das darauf ausgerichtet ist, uns am Leben zu erhalten. Er ist aber auch kompliziert. Deswegen sollten Sie auf Gefühle und Empfindungen achten, bevor es zu etwaigen „Fehlschaltungen“ kommt.
Es geht vorbei: Angst ist ein Gefühl. Wenn man sich bewusst ist, dass mit ihr keine Gefahr fürs Leben besteht, kann man lernen, sie auszuhalten. Es mag sich nicht gut anfühlen, aber Gefühle sind auch da, um sie zu spüren. Je schneller Sie das wahrnehmen, umso schneller vergehen die unangenehmen Emotionen auch wieder.
Programmieren Sie sich um: Negative versus positive Selbstinstruktion kann sofort angewendet werden und ist bei längeren Phasen mitunter eines der bewährtesten Mittel, Abhilfe bei Panikattacken zu schaffen.
Es gibt zahlreiche Soforthilfe-Übungen (wie die bereits erwähnte Selbstinstruktion), die beim Eintritt einer Panikattacke angewendet werden können. Egal ob bei der ersten Panikattacke oder einer Panikstörung: Ganz nach dem Motto „Übung macht den Meister“ trainieren Sie einfach so oft es geht. Vor allem, wenn es Ihnen gerade gut geht. So werden die Effekte des Trainings für den Fall einer Panikattacke automatisiert und können auch im Problemfall angewendet werden. Die Feuerwehr übt das Löschen schließlich auch nicht, wenn es bereits brennt.
Selbstinstruktion: Sich bewusst werden, dass körperliche Anzeichen (Herzrasen, Schwindel, Spannung, Unwirklichkeit) auch normal sind. Also tief durchatmen, entspannen und nicht ständig in sich hineinhören.
Wie ein Pferd prusten: Ja, Sie haben richtig gelesen. Aber es hilft. Ab und zu einmal zu prusten wie ein Pferd (Prrrrrrrhhhh) tut gut – und entspannt. Lässt sich gut im Auto üben.
Trommeln: Dafür braucht man kein Schlagzeug – die Hände auf die Beine oder das Lenkrad klopfen genügt. Einfach mal im Rhythmus der Wahl trommeln und schon ist man im Hier und Jetzt und relativ entspannt.
Flamingo-Style: Genauso verhält es sich mit der nächsten Panikattacke-Soforthilfe. Auf einem Bein stehen bringt nicht nur körperliche, sondern auch innerliche Balance. Glauben Sie nicht? Probieren Sie es einfach aus!