Die extreme Angst davor, sich im Alltag zu blamieren, zählt zu einer der häufigsten psychischen Erkrankungen. Für Außenstehende ist es dabei oft schwierig zu beurteilen, ob eine Person an einer sozialen Angststörung leidet oder einfach nur schüchtern ist. DONNA Online erklärt, auf welche Anzeichen Sie achten sollten.
Gemeinsam mit Kollegen zu Mittag essen oder bei einer Veranstaltung Smalltalk halten: Für manche Menschen werden ganz alltägliche Dinge zur Tortur. Der Grund dafür: Sie haben panische Angst, peinlich aufzufallen. Wo aber endet ganz normale Nervosität und ab wann beginnt eine ernstzunehmende Angststörung? DONNA Online erklärt, was eine soziale Phobie ist und an welchen Anzeichen man die psychische Erkrankung erkennt.
Menschen, die an einer Phobie leiden, haben extreme Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen – etwa vor Spinnen (Arachnophobie) oder vor dem Fliegen (Aviophobie). Ein zentrales Merkmal dieser psychischen Störung ist eine übertriebene Angstreaktion auf Dinge oder Umstände, obwohl keine wirkliche Bedrohung davon ausgeht.
Kennzeichnend für eine soziale Phobie ist die ausgeprägte Sorge, sich zu blamieren und in sozialen Situationen ungewollt im Mittelpunkt zu stehen. Schon in der Antike beschrieb Hippokrates die typischen Anzeichen dieses Angstzustandes. Der griechische Arzt berichtete von einem Mann, den man aufgrund seiner „Schüchternheit, seines Argwohns und seiner Furchtsamkeit” kaum in Gesellschaft sah.
Die krankhafte Situationsangst beginnt meist schon in der Kindheit oder Pubertät, während der sie bis zu einem bestimmtem Grad noch als normal eingestuft wird. Wenn sich die soziale Phobie jedoch zu einem dauerhaft belastenden Problem auswächst und Betroffene alltägliche Situationen als Bedrohung empfinden, ist die Grenze zu einer krankhaften Störung überschritten. Die Krankheitsverlauf ist meist chronisch und birgt ein hohes Risiko für Folge- und Begleiterkrankungen.
Eine soziale Phobie macht sich in fast allen zwischenmenschlichen Situationen bemerkbar. Alltägliche Beschäftigungen machen Betroffenen in Gegenwart anderer Menschen Angst. Aus Sorge, sich lächerlich zu machen, haben sie Schwierigkeiten, in einer Gruppe zu reden oder zu essen. Beunruhigt durch die vermeintliche Beobachtung fürchten sie sich vor einer negativen Beurteilung ihrer Person oder ihres Handelns. Dabei sind Menschen mit sozialer Angst selbst ihre härtesten Kritiker, wobei ihre Vorstellung von ihrer Wirkung auf andere völlig verzerrt ist. Die Panik vor Ablehnung und Misserfolg empfinden sie als so stark, dass sie sich aus eigener Kraft kaum von ihr lösen können.
Die Angst vor sozialen Situationen und die ständige Sorge darum, was andere denken könnten, geht fast immer mit unmittelbaren körperlichen Reaktionen einher, die sich in unterschiedlich starkem Ausmaß zeigen können. Selbst wenn die gefühlte Scham für Außenstehende nicht sichtbar ist, kann sie sich bei Betroffenen durch Schwitzen, Zittern, Herzrasen, Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Atemnot, Muskelverspannungen, Erröten oder rote Flecken im Gesicht bemerkbar machen oder sogar in einer Panikattacke münden.
Patienten mit sozialer Phobie versuchen, so unauffällig wie möglich zu sein. Sie kontrollieren ihr Verhalten sehr genau – zum Beispiel indem sie direkten Blickkontakt mit anderen meiden, nur sprechen, wenn es nötig ist oder sich einen Platz in der hintersten Reihe suchen. Ziel ihrer permanenten Selbstüberwachung ist es, ja nicht aufzufallen, anzuecken oder in ein Fettnäpfchen zu treten – eine Taktik, die schüchterne Menschen genauso verfolgen wie Sozialphobiker.
Das Problem bei Sozialphobien: Als „stille“ Angststörungen werden oft erst spät erkannt, da sich Betroffene selten auffällig verhalten. Zudem gibt es zahlreiche introvertierte oder schüchterne Menschen, die man nicht gleich als „krank” abstempelt.
Menschen mit einer sozialen Phobie haben in der Regel eine stark verzerrte Selbstwahrnehmung. Wenn sich die Aufmerksamkeit auch nur im kleinsten Rahmen auf sie richten könnte, plagen sie Selbstzweifel: Bin ich gut genug? Werde ich akzeptiert? Sage ich das Richtige? Neben diesem psychischen Stress verunsichern nicht kontrollierbare Reaktionen ihres Körpers, zum Beispiel Erröten oder Händezittern, die Betroffenen zusätzlich – und es wird noch schwerer, die innere Unsicherheit zu verbergen.
Obwohl die vermeintlichen Schwächen für ihr Umfeld meist nicht erkennbar sind, stehen von Zwangsbefürchtungen geplagte Menschen soziale Situationen nur mit starkem Unwohlsein durch – oder gehen ihnen ganz aus dem Weg. Ein normales soziales Miteinander ist unter diesen Umständen nahezu unmöglich, was neben Leistungseinbrüchen in Job oder Schule eine zunehmende Vereinsamung und in vielen Fällen Depressionen zur Folge hat. Oft flüchten sich die Betroffenen in Alkohol, Tabletten oder andere Suchtmittel, um die quälende Angst zu betäuben. Dass soziale Phobien häufig von anderen psychischen Störungen wie Depressionen, Suchterkrankungen oder Essstörungen begleitet werden, erschwert die korrekte und rechtzeitige Diagnose zusätzlich.
Eine soziale Phobie ist eine Krankheit, die sich nicht vorrangig durch äußerliche Anzeichen, sondern eine aus der Balance geratene Psyche bemerkbar macht. Von Famlienangehörige, Freunden oder dem Partner verlangt das – neben einem Gespür für und Rücksicht auf die Betroffenen – auch konkretes Wissen zu Symptomen und Verlauf der Angststörung. Um eine soziale Phobie frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig behandeln zu können, sind Aufklärung und Achtsamkeit deshalb das A und O. Angehörige und Freunde sollten den Betroffenen zuhören und sie dazu motivieren, professionelle Hilfe, etwa im Rahmen einer Verhaltenstherapie, in Anspruch zu nehmen. Begleitend kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen, Trainings, Seminaren oder Coachings zum Thema soziale Kompetenz für Menschen mit sozialer Angst hilfreich sein. Regelmäßige Bewegung an der frischen Luft, beispielsweise Spaziergänge oder leichte Fahrradtouren, hat eine entspannende Wirkung auf den Körper, wirkt Depressionen entgegen und kann die Wirkung einer Psychotherapie, die den eigentlichen Auslösern der Angststörung auf den Grund geht, unterstützen. Unterstützend können angstlösende Medikamente und Antidepressiva eingesetzt werden. Wenn Betroffene frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, stehen die Chancen gut, die krankhafte Schüchternheit in den Griff zu bekommen und wieder ganz normal am sozialen Leben teilzunehmen.