Mehr als ein Mittel gegen Falten

Was Botox alles kann

Weit mehr als ein Lifestyle-Medikament: Richtig eingesetzt kann Botox unter anderem Schmerzpatienten Linderung verschaffen. | © ONAIR SHUTTERSTOCK
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Weit mehr als ein Lifestyle-Medikament: Richtig eingesetzt kann Botox unter anderem Schmerzpatienten Linderung verschaffen.

Den meisten kennen Botulinumtoxin nur als Faltenglätter. Dabei gibt es für das Nervengift auch viele medizinische Anwendungsmöglichkeiten – zum Beispiel bei Migräne oder Parkinson. Bei welchen Gesundheitsproblemen Botox helfen kann und welche Nebenwirkungen es gibt.

Botulinumtoxin, besser bekannt unter dem Markennamen Botox, kennen die meisten Frauen vor allem aus der ästhetischen Medizin als Wundermittel zur Faltenunterspritzung. Doch das neurotoxische Protein kann nicht nur als Anti-Aging-Helfer zum Einsatz kommen: Botox spielt auch in der Medizin eine immer größere Rolle. Welche Krankheiten und Beschwerden sich mit dem Nervengift in den Griff bekommen lassen und warum einige Botox-Anwendungen mit Vorsicht zu genießen sind, lesen Sie in unserem Gesundheitsratgeber.

Was ist Botox?

Botulinumtoxin ist das stärkste bekannte Gift der Welt. Das Protein entsteht als Stoffwechselprodukt der Bakterien Clostridium botulinum, die in verdorbenen Lebensmittel vorkommen. Die Substanz ist farb- und geruchlos und wird erst bei den ersten Vergiftungserscheinungen wahrgenommen. Botox blockiert die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylchlorin, der für die Kommunikation zwischen Nerven, Muskeln und Drüsen verantwortlich ist. Fehlt der Neurotransmitter, werden die betroffenen Körperbereiche lahmgelegt und es kommt zu Lähmungserscheinungen. Eine Vergiftung durch das Bakterientoxin, auch Botulismus genannt, lähmt die Atemwege sowie den Herzmuskel und verläuft deshalb oft tödlich. Bereits zwei Milliardstel Milligramm Botulinumtoxin können zum Tod führen, zwei Kilogramm könnten die gesamte Menschheit auslöschen.

Wie bei fast jedem chemischen Stoff macht auch bei Botox die Dosis das Gift: In geringsten Mengen kann es eine medizinische, gesundheitsfördernde Wirkung haben. Erstmals wurde Botulinumtoxin in den 80er-Jahren extrahiert, um es für medizinische Zwecke einzusetzen. Es gibt sieben Serotypen des Nervengifts, in der Medizin und der ästhetischen Kosmetik wird Botox Typ A verwendet.

Anwendungsbereiche von Botox in der ästhetischen Medizin

Botox als Faltenglätter

Die faltenglättende Wirkung von Botox wurde eher zufällig als Nebenwirkung von medizinischen Eingriffen entdeckt: Bei Personen mit Lidkrampf, die Botox injiziert bekamen, verschwanden nicht nur die Muskelkrämpfe, sondern auch Falten im Gesicht. Denn das Nervengift entspannt die Muskulatur unter der Haut, wodurch Mimikfalten geglättet werden und ihre Neubildung ausbleibt. Der Anti-Falten-Effekt hält für etwa sechs Monate an.

Botox-Injektionen in die Füße

Besonders in Hollywood liegt es seit ein paar Jahren im Trend, sich Botox in die Füße spritzen zu lassen – genauer gesagt in die Fußballen, um länger schmerzfrei auf High Heels gehen zu können. Die Injektion soll für eine dauerhafte Schmerzreduzierung sorgen. Allerdings ist die Anwendung sehr umstritten, da das fehlende Schmerzgefühl beim Tragen hochhackiger Schuhe zu dauerhaften Deformationen und Fehlstellungen der Füße führen kann.

Weniger ästhetischen, als vielmehr medizinischen Nutzen hat das Spritzen von Botox bei einem Fersensporn. Hier wird Botox eingesetzt, um eine OP zu vermeiden, Entzündungssymptome zu unterdrücken und eine gezielte Schmerzlinderung zu erzielen.

Blowtox

Blowtox – eine Wortkombintion aus „Blowout“ (engl. „waschen, legen, föhnen“) und Botox – verspricht voluminöses Haar, das weniger nachfettet. Dafür wird Botulinumtoxin in die Kopfhaut injiziert, um die Schweiß- und Talgproduktion zu reduzieren. Vor allem in den USA ist die umstrittene Behandlung ein Beauty-Trend.

Anwendungsbereiche von Botox in der Medizin

Zwar ist der Umgang mit dem Nervengift in Deutschland zurückhaltender als in anderen europäischen Ländern oder den Vereinigten Staaten, allerdings hat die Zahl der medizinischen Indikationen und Studien mit Botox hierzulande in den letzten Jahren stark zugenommen. In der Medizin setzt man Botulinumtoxin unter anderem in diesen Bereichen ein:

Bewegungsstörungen

Neurologische Bewegungsstörungen, sogenannte Dystonien, äußern sich meist durch dauerhafte Verkrampfungen oder Fehlhaltungen. Aufgrund einer Störung im motorischen Zentrums des Gehirns können die Betroffenen ihre Bewegungen nicht mehr steuern. Ein Beispiel: Bei einer zervikalen Dystonie lösen überaktive Hals- und Nackenmuskeln Verkrampfungen und in der Folge eine abnormale Kopfstellung aus. Bei Dystonien ist die Behandlung mit Botox mittlerweile die Medikation der Wahl, da sich mit dem Nervengift sehr gute Ergebnisse erzielen lassen. Bei rund 80 Prozent der Patienten verringern sich die Symptome und mit der Entkrampfung nehmen zusätzlich auch die Schmerzen ab. Die Behandlung muss regelmäßig, circa alle drei Monate, wiederholt werden.

Chronische Migräne

Wer an chronischen Kopfschmerzen leidet weiß, dass bei akuter Migräne kaum etwas Linderung verschaffen kann. Genau in diesem Fall soll Botox nun Wunder bewirken. Während der Therapie werden bis zu 30 Injektionen im Gesicht sowie an Hals, Nacken und Schläfen vorgenommen. Anders als bei der Faltenunterspritzung soll das Nervengift in diesem Fall nicht die Muskeln zu lähmen, sondern die Ausschüttung von Botenstoffen verhindern, die für die Kopfschmerzentstehung verantwortlich sind. Die Datenlage ist bislang allerdings nicht eindeutig – das heißt es ist unklar, ob es sich bei der schmerzlindernden Wirkung um einen Placebo-Effekt oder eine Folge der Botox-Injektion handelt.

Spastik

Spastiken sind Muskelkrämpfe, die auf eine Schädigung im Gehirn oder des Rückenmarks zurückzuführen sind und sich deshalb nicht lösen lassen. Eine dauerhafte Verkrampfung der Muskulatur tritt beispielsweise nach Schlaganfällen oder bei Kindern mit cerebraler Bewegungsstörung (Zerebralparese) auf. Die Injektion von Botulinumtoxin in die betroffenen Körperareale entspannt die Muskeln und lindert dadurch die Spastiken.

Blasenstörung

Wenn sich Harndrang oder Inkontinenz mit Medikamenten nicht mehr in den Griff bekommen lassen, greifen Mediziner immer öfter zur Botox-Spritze. Bei der Behandlung werden an verschiedenen Stellen der Blasenmuskularur Injektionen mit dem Nervengift vorgenommen, die eine überaktive Blase regulieren und dafür sorgen, dass Patienten den Urin wieder halten können. Die Wirkung hält bis zu einem halben Jahr an. Auch bei einer Schließmuskulaturschwäche im Analbereich gibt es erste Versuche, diese mit Botox in den Griff zu bekommen.

Übermäßige Schweißproduktion (Hyperhidrose)

Wenn jemand so stark schwitzt, dass der Alltag negativ davon beeinflusst wird, bezeichnet man dies als Hyperhidrose. Verantwortlich für die übermäßige Schweißbildung ist Acetylchlorin, der nicht nur die Muskeln stimuliert, sondern auch die Schweißdrüsen aktiviert. Durch das Spritzen von Botox wird die Bildung des Botenstoffs unterbrochen und damit die Schweißproduktion gedrosselt. Dermatologen nehmen meist zehn bis 20 Botox-Injektionen vor, die das unangenehme Schwitzen für bis zu sechs Monate eindämmen.

Depressionen

Der Einsatz von Botox bei Depressionen ist bislang sehr umstritten und in Deutschland noch nicht zugelassen. Befürworter der Behandlung behaupten, dass durch die Entspannung der Gesichtsmuskeln, die negative Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer ausdrücken – zum Beispiel die Stirnpartie zwischen den Augenbrauen, in der sich eine Zornesfalte bildet – auch die Stimmung gebessert wird. So ergab eine Studie, dass sich die Depressionswerte bei 60 Prozent der teilnehmenden Patienten um mindestens 50 Prozent reduzierten – und zwar so lange, wie die muskelentspannende Wirkung anhielt, nämlich zwischen zwei und sechs Monaten.

Parkinson

Botox soll auch die Symptome einer Parkinson-Erkrankung mildern. So kann die Behandlung mit dem Nervengift das für die Krankheit typische unkontrollierte Muskelzittern eindämmen, außerdem kann der Speichelfluss durch gezielte Injektionen rund um die Speicheldrüsen gemildert werden. Allerdings erzielt die Verabreichung von Botox keine Heilung, sondern mindert lediglich die Symptome.

Diese Nebenwirkungen hat Botox

Auch wenn Botulinumtoxin bereits seit mehreren Jahrzehnten in der Medizin und ästhetischen Chirurgie verwendet wird, gibt es kaum Langzeitstudien, die sich mit den Folgen und Nebenwirkungen von Botox-Behandlungen beschäftigen. Unbekannt sind beispielsweise die langfristigen Auswirkungen auf Leber und Nieren, da das Gift lokal und innerhalb eines Jahres von Enzymen abgebaut wird.

Im Normalfall treten Nebenwirkungen nur bei falscher Anwendung auf. So kann das Nervengift sich beispielsweise auf Wanderschaft begeben und die umliegende Muskulatur lähmen. Wird Botox falsch in­ji­zie­rt, beispielsweise in eine Vene oder Aterie, kann es zu einer Atemlähmung bis hin zum Atemstillstand kommen. Zudem reagieren einige Menschen allergisch auf Botulinumtoxin – in diesem Fall bildet der Körper Antikörper gegen die neurotoxinen Proteine.

Besonders häufig treten Nebenwirkungen bei der freiwilligen Anwendung aus ästhetischen Gründen auf. Typische unerwünschte Erscheinungen sind Blutergüsse, Schwellungen, Kopfschmerzen, allergische Reaktionen und ungewollte Lähmungen.

Für wen ist Botox geeignet?

Aufgrund der möglichen Nebenwirkungen und allergischen Reaktionen kann Botulinumtoxin nicht von jedem verwendet werden. Während einer Schwangerschaft oder der Stillzeit beispielsweise ist die Verabreichung des Nervengifts verboten. Auch bei neuromuskulären Erkrankungen ist die Behandlung mit Botox nicht möglich, da sie die Symptome verschlimmern könnte.