Ob aus religiösen Gründen, um zu entschleunigen oder sich selbst zu finden: Pilgerreisen werden immer beliebter. Welche Wanderungen und Pilgerwege neben dem berühmten Jakobsweg sich noch lohnen, erfahren Sie hier.
In einer Gesellschaft, in der das Tempo immer schneller und Zeit zum Luxusgut wird, wächst die Sehnsucht nach weniger Stress und mehr Gelassenheit im Alltag. Da ist es kein Wunder, dass bei vielen Menschen auch der Wunsch, entschleunigt zu reisen und auf einer Pilgerwanderung langsam, aber aus eigener Kraft ans Ziel zu kommen, immer größer wird. Auslöser für die zunehmende Beliebtheit von Pilgerreisen war unter anderem Comedian Hape Kerkeling, der in seinem Buch „Ich bin dann mal weg“ von seiner Wanderung auf dem Jakobsweg erzählte. Seine Erlebnisse ermutigten vor allem viele Deutsche dazu, sich selbst auf den Weg zu machen – ein Hype der bis heute anhält.
Die meisten Pilgerwege stammen aus dem Mittelalter und entstanden damals aus religösen Gründen. Ziel war es, den Spuren eines Heiligen zu folgen oder ein heiliges Ziel zu erreichen. Heute geht es den meisten Pilgern weniger um die religösen Aspekte ihrer Wanderung, als vielmehr um die Ruhe und das Besinnen auf sich selbst. Egal aus welchem Grund Sie sich auf einen Pilgerweg begeben wollen, diese Routen innerhalb Europas sind eine Reise wert.
Eine klassische Pilgerroute ist die Via Francigena, der Frankenweg. Er startet im britischen Canterbury und führt ins Herz des katholischen Glaubens: nach Rom. Die Wanderung geht auf den britischen Erzbischof Sigerich zurück, der sich nach seiner Ernennung zum Erzbischof auf den Weg in den Vatikan machte, um dort das Pallium, ein Zeichen seiner Ernennung, zu erhalten. Der Frankenweg hat eine Gesamtlänge von rund 1600 Kilometern.
Besonders schön und landschaftlich am reizvollsten ist der letzte Abschnitt von Siena nach Rom. Hier wandert man die Via Cassia, eine rund 2000 Jahren alte, antike Straße entlang, inmitten einer malerischen Kulisse mit sanften Hügeln, Olivenhainen und kleinen Städten. Das Ziel der europäischen Kulturstraße sind die Grabstätten der Apostel Petrus und Paulus.
Die Via Francigena ist gut ausgeschildert, sodass man der Route auch ohne Landkarte einfach folgen kann. Auch Übernachtungsmöglichkeiten gibt es auf der Strecke immer mehr – oft sind es einfache Quartiere von Pfarrgemeinden oder Klöstern. Die 250 Kilometer der letzten Etappe sind flach und in rund zwölf Tagesetappen auch für Anfänger machbar.
Der St. Olavsleden wird auch als der Jakobsweg Skandinaviens bezeichnet und ist das wichtigste Pilgerziel im Norden Europas. 2010 wurde die Strecke zum europäischen Kulturweg ernannt. Eigentlich ist der Olavsleden kein klassischer Wanderweg, sondern ein Netzwerk aus sechs Fernwanderwegen, die alle ins norwegische Trondheim führen. Das Streckennetz umfasst circa 2000 Kilometer und führt durch Schweden, Dänemark und Norwegen.
Die Landschaft, durch die der Pilgerweg führt, ist gesäumt von dichten Wäldern, schroffen Bergen, Seen sowie kulturellen und religösen Stätten. Ziel der Wanderung ist der St.-Olavs-Schrein im Nidarosdom in Trondheim. Die prachtvolle Kirche ist seit der Heiligsprechung des Wikingerkönigs Olav eine wichtiger Wallfahrtsort für Pilger aus der ganzen Welt.
Am beliebstesten ist die Strecke von Olso nach Trondheim. Für die Strecke von 643 Kilometern benötigt man zu Fuß etwas mehr als vier Wochen. Da die Route auch gebirgige Abschnitte auf über 1000 Meter umfasst, sind Wandererfahrung und eine gute Kondition Grundvoraussetzungen. Da man sich hoch in Europas Norden befindet, beschränkt sich die Wandersaison auf die Sommermonate – ansonsten können die Wetterverhältnisse für Probleme sorgen.
Auf den Spuren des heiligen Martin führt der Martinusweg einmal quer durch Mitteleuropa, von Ungarn über Slowenien und Italien nach Frankreich. Von seinem Geburtsort im ungarischen Szombathely bis zu seiner Grabstätte im französischen Tours durchqueren Pilger das Arosatal und die Alpen. In den letzten Jahren hat sich zudem eine Mittelvariante der Via Sancti Martini etabliert, die durch Deutschland, Österreich und Luxemburg führt.
Das Wegenetz umfasst über 2500 Kilometer, im Normalfall werden aber nur Teilabschnitte davon bewandert. Beliebt sind beispielsweise die Strecken von Venedig nach Tours (rund 1000 Kilometer) oder von Szombathely nach Šmartno na Pohorju in Slowenien (rund 370 Kilometer). Der Martinusweg ist in Teilstrecken ausgeschildert, befindet sich aber in vielen Regionen noch im Aufbau. Die mobile Karten-App zum Pilgerweg zeigt alle Strecken in digitalisierter Form und die wichtigsten Sehenswürdigkeiten auf dem Weg an.
Eine relative kurze, aber dennoch anstrengende Pilgerreise ist die Wanderung auf den heiligen Berg der Iren. Der Croagh Patrick im Westen von Irland ist rund 750 Meter hoch und der Aufstieg dauert rund vier Stunden. Der Sage nach erklomm der heilige Patrick, der Patron der Iren, den Berg im 5. Jahrhundert, fastete dort 40 Tage lang und erbaute eine Kapelle. Mithilfe einer Glocke, die er an einer Seite des Berges hinabrollte, vertrieb er alle Schlangen von der Bergspitze und von der gesamten irischen Insel. Der Ausblick von der Murrisk Abbey über Irlands sattes Grün ist atemberaubend schön.
Jedes Jahr am „Reek Sunday“, dem letzten Sonntag im Juli, steigen rund 25 000 Pilger barfuß auf den Berg. Die Strecke ist für eine Tagestour ausgelegt und gut ausgeschildert. Da der Weg jedoch steil ist und über Geröll an die Spitze führt, ist die Strecke nicht zu unterschätzen. Geeignetes Schuhwerk und eine gute Kondition sind Pflicht, um den irischen Pilgerweg erfolgreich zu bestreiten.
Der berühmteste Pilgerweg der Welt darf in dieser Top 5 natürlich nicht fehlen: Seit über 1000 Jahren ist das Grab des Apostels Jakobus im spanischen Santiago de Compostela das Ziel unzähliger Pilger. Der Jakobsweg erlangte in 80er-Jahren nach einem Besuch von Papst Johannes Paul II. neue Beliebtheit und wurde 1987 zum ersten Kulturweg Europas und 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt. In Deutschland macht den Pilgerweg vor allem das Buch „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling wieder populär.
Den Jakobsweg gibt es eigentlich nicht, denn er besteht aus einem weit verzweigten Netz, das sich auf ganz Europa erstreckt. Der rund 800 Kilometer lange Hauptweg, der Camino Francés, führt durch Spanien, doch auch in Deutschland gibt es zahlreiche Startpunkte. Der Camino Francés, den rund zwei Drittel aller Jakobsweg-Pilger laufen, führt von St. Jean Pied de Port an der französischen Grenze durch die verschiedensten Klimazonen – von anspruchvollen Bergtouren durch die Pyrenäen, über die Königsstädte Leon und Jaca bis zur berühmten Kathedrale nach Santiago.
Aufgrund seiner Beliebtheit ist der Jakobsweg touristisch gut erschlossen. Aufgrund der Popularität der Pilgerroute macht es Sinn, in der Hauptsaison und in den größeren Orten die Unterkünfte vorzubuchen. Besonders auf den letzten 100 Kilometern sind wahre Pilgermassen anzutreffen.