Die Deutsche Julia Bartels besitzt in der marokkanischen Metropole einen eigenen Riad. DONNA hat sie ihre Lieblingsplätze verraten – und wir versprechen: Wenn man ihre Insider-Tipps liest, will man sofort hin.
Diese marokkanische Geschichte begann mit meinem Vater. Er war in den 90er-Jahren Botschafter in Marrakesch und träumte von einem Alterssitz in der Medina. Inmitten des Dufts nach süßem Pfefferminztee und Ras el-Hanout, inmitten der leuchtenden Stoffe und der kunstvollen Kacheln, inmitten des Stimmengewirrs und der Rufe des Muezzins. Schließlich kaufte er einen Riad, den er über die Jahre erweiterte, liebevoll mit orientalischer Handwerkskunst ausstaffierte, bis er den größten Teil des Komplexes als Gästehaus öffnete. Damals war der „Riyad El Cadi“ so eine Art Lebensmittelpunkt für unsere Familie, wo wir uns alle mehrmals im Jahr trafen.
Als mein Vater 2003 plötzlich starb, befand ich mich gerade auf Jobsuche. Irgendwie schien es naheliegend, dass ich sein Kleinod übernehme – erst mal. Ein Jahr gab ich mir, um mich hineinzufühlen in diese Welt, denn eigentlich hatte ich als studierte Rechtsanwältin andere Pläne. Besagtes „Eigentlich“ beschäftigte mich ganze drei Monate; danach hörte ich einfach auf, darüber nachzudenken. Das ist jetzt 13 Jahre her – und Marrakesch ist mir zur zweiten Heimat geworden.
In allen marokkanischen Medinas findet man sie – die Riads. Diese ganz besonderen Stadthäuser, deren Zentrum immer ein mit Bäumen bestandener Patio ist: Vier rechteckige, bepflanzte Flächen gruppieren sich um einen Brunnen im Zentrum herum und spenden kühlenden Schatten. Kontemplation pur! Das Konzept eines Riads entspricht der Vorstellung des Korans vom himmlischen Paradies, durch das Flüsse voll Wasser, Wein, Milch und Honig fließen. Mein Paradies hier im Diesseits besteht aus einem Hauptgebäude und mehreren kleineren Häusern.
Die meisten Riads sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, aber es gibt Ausnahmen: Prachtvolle Innenhöfe kann man etwa im Bahia- Palast besichtigen, erbaut von einem Großwesir in der Zeit der Alawiden im 19. Jahrhundert. Ein traumhaft angelegter Garten mit üppigem Bambus und vielfältigen Kakteen ist auch der Jardin Majorelle, zuletzt im Besitz von Yves Saint Laurent. Das dazugehörende Museum bietet eine einzigartige Ausstellung lokaler Trachten und Schmuck, alles aus der Sammlung von YSL und Pierre Bergé. Ebenfalls einen Besuch wert ist der Cyber-Park an der Avenue Mohammed V. Hinter dem wenig wohlklingenden Namen verbirgt sich ein weitläufiges Gelände mit knorrigen Olivenbäumen und hochgewachsenen Palmen auf ausgedehnten Rasenflächen. Hier flanieren Großfamilien, hocken Liebespärchen auf Mäuerchen, treffen sich Studenten, um zu trommeln und zu singen. Ein herrlicher Ort, um einfach zu schauen – und das Leben in sich aufzunehmen.
Absolutes Muss in Marrakesch ist ein Besuch der Souks. Man wird in diesen Basaren, die durch die Gässchen der Medina mäandern, zwar schnell erschlagen von den Kerzenleuchtern, Kesseln, Laternen, Tabletts, Vasen, Taschen, die unzählige Handwerker hier fertigen, aber die Atmosphäre ist einzigartig. Mitbringen sollte man Zeit, Geduld – und Humor. Mit Letzterem nämlich wird das Handeln zu einem fast schon sportlichen Vergnügen.
Sehr schön ist der Laden Fil d’Or im Souk Semmarine, wo man die edelsten Babouches (Schlappen) aus feinstem Leder erwerben kann. Unbedingt die Hühnerleiter in den Keller hinuntersteigen – denn dort erwartet einen eine Ali-Baba-Höhle mit reich bestickten Tuniken, kunstvollen Stolen, farbenfrohen Tüchern. Antike Schatzkästchen, alter Schmuck und Textilien finden sich beim Einäugigen am Ende vom Souk Mouassine, kurz vor der Kreuzung auf der linken Seite. Der Name? Fällt mir grad nicht ein. Aber macht nix: Man kennt ihn…
Der Laden von Mustapha Blaoui dagegen ist für mich das neuzeitliche Reich des Ali Baba. Klein und leicht zu übersehen ist die Eingangstür, ein Schild gibt’s nicht. Daher hier die exakte Adresse: 144, Arset Aouzal – Bab Doukkala. Hat man sich mutig hineingewagt, öffnet sich eine Höhle nach der anderen; verschlungene Flure, gestopft voll mit abenteuerlichen Dingen, führen zu Treppenhäusern in Nachbargebäuden, in denen sich schönste Schränke, farbenfroheste Masken und üppigste Teppiche verbergen. Mustapha Blaoui ist eine Institution für alle, die sich neu einrichten möchten. Aber auch, wer nur guckt, wird hier garantiert verführt – und sei es nur zum Kauf ungewöhnlicher Gläser.
Essen gehen in Marrakesch? Das ist Riechen und Schmecken und Erleben. Wärmstens empfehlen möchte ich natürlich erst mal unser Haus: Im Riyad El Cadi bieten wir Abend- und Mittagessen auf Anfrage und in Absprache mit unseren (oder auswärtigen) Gästen an. Es gibt marokkanische und internationale Speisen. Und auch wenn ich am liebsten zu Hause esse, will ich Ihnen andere Adressen natürlich nicht vorenthalten. Für den Kaffee am Morgen sitze ich gern im Café des Épices. Während die Touristen die Dachterrasse bevorzugen, von wo aus man bei Chill-out-Musik die Altstadt überblicken kann, ist mein Stammplatz im Erdgeschoss. Gegen zehn Uhr, wenn der Place des Épices noch herrlich ruhig ist, kann man vorm Café den Mützenverkäuferinnen dabei zusehen, wie sie ihre Strickmützen zu hohen Türmen aufschichten, nach nicht nachvollziehbaren ästhetischen Kriterien die Anordnung neu überdenken – und wieder ändern. Nicht selten wird man Zeuge wilder Streitereien, durch die sich gemächlich Karren mit Obst schieben.
Ein sehr „lokaler“ Tipp für die Mittagszeit ist das Restaurant an der Tankstelle Afriquia an der Route de Casa, neben dem Supermarkt Mini Brahim, auf der Ausfallstraße nach Casablanca. Na ja, es klingt vielleicht wenig verlockend, neben einer Großtankstelle zu essen, doch es soll dort die besten Tajines der Stadt geben. Empfehlenswert ist es, früh zu erscheinen; ab 13 Uhr wird die Auswahl knapp. Zudem sollte man unbedingt das „Poulet Beldi“ bestellen, das marokkanische Bio-Huhn. Überdies im Angebot: „Tafarnoute“, das traditionelle, süchtig machende große Berber-Holzofen-Fladenbrot.
Die Spezialität vom Al-Fassia in Gueliz und in Aguedal ist eine andere: Das Lokal wird ausschließlich von Frauen geleitet (der Sicherheitsmann ist das einzige männliche Wesen im Laden). Es bietet eine große Auswahl an traditionellen Gerichten der Küche aus Fes. Köstlich hier: die Salate. Berühmt sind die Damen vom Al Fassia auch für ihre golden gebackene Lammschulter, die man aber für zwei Personen und im Voraus bestellen muss.
Ein Erlebnis ab sieben Uhr abends ist der große Platz Djemaa el Fna mit seinen vielen Buden – sicher nichts für Magen-Ängstliche, für alle anderen jedoch ganz großes Theater. Marktschreierisch werden Spieße, frittierter Fisch und Kebab angepriesen, Mutige wagen sich auch an gekochte Schnecken und Schafsköpfe. Der nicht mehr ganz so geheime Geheimtipp für Fisch ist übrigens der Stand Nr. 14. Und zum Dessert? Gibt’s starken Gewürztee.
Ist man der marokkanischen Küche mal überdrüssig, empfehle ich La Trattoria di Giancarlo in Gueliz. Man sitzt behaglich am Pool hinten im Garten; später genießt man am Kamin (designt von Bill Willis, dem Star-Designer Marrakeschs) seine Drinks. Die Küche ist, klar bei dem Namen, italienisch – und gut! Am Wochenende singt ein junger Marokkaner zur Gitarre. Die Abende klingen nicht selten damit aus, dass man in bunter Runde gemeinsam Lieder aus den letzten Jahrzehnten trällert. Für einen anschließenden Absacker ist die Churchill Bar im Luxushotel La Mamounia der perfekte Ort – nicht ganz billig, aber ein Klassiker mit Grandezza.
Marrakesch Insider-Tipps:
Wohnen: Ruhe haben – und mittendrin sein: Julia Bartels „Riyad El Cadi” ist ein stilvolles Gästehaus in der Medina von Marrakesch. DZ ab 120 Euro. Mit Restaurant.
Anreise: Direktflüge mit Lufthansa gibt es ab Frankfurt, mit Transavia ab München (ab ca. 300 Euro)
Mehr über Marrakesch: marrakesch.com bietet einen guten Überblick – von Sehenswürdigkeiten bis Veranstaltungen.
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