Liebe & Partnerschaft

Narzissmus in der Partnerschaft: „Solche Menschen kann man nicht umdrehen“

Traurige Frau | © Getty Images | Westend61
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Woran erkenne ich einen Narzissten – und ist eine glückliche Partnerschaft mit einem egozentrischen Mann überhaupt möglich? DONNA sprach mit Sozialpädagoge Heinz-Peter Röhr über narzisstische Persönlichkeiten.

Woran erkenne ich, ob mein Partner eine narzisstische Persönlichkeit hat – und kann man mit Narzissten überhaupt eine glückliche Beziehung führen? Wir sprachen mit Sozialpädagoge und Autor Heinz-Peter Röhr über den Gesellschafts-„Trend” Narzissmus.

DONNA: Herr Röhr, wie erkennt eine Frau denn, dass sie mit einem Narzissten zusammen ist?
Heinz-Peter Röhr: Zunächst muss man unterscheiden zwischen Menschen mit narzisstischer Struktur und solchen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Letzteres meint: umfassend und dauerhaft. Diese Menschen sind besonders egozentrisch, völlig auf die eigenen Bedürfnisse konzentriert, ausbeuterisch, manipulativ, wenig empathisch und leicht kränkbar. Menschen mit dieser Störung können kaum auf Selbstliebe zurückgreifen. Das gute Gefühl für die eigene Person und innere Wärme fehlen. Daher leiden sie unter innerem Groll, fühlen sich stets zu kurz gekommen und sind für ihre Mitmenschen nicht ungefährlich. In einer Beziehung verhalten sie sich oft sehr abwertend. Als Partner kommen meist abhängige oder histrionische Persönlichkeiten infrage. So versuchen Narzissten, etwas zu gewinnen, das sie in sich selbst vermissen.

Dann gibt es also tatsächlich einen gewissen Frauentyp, der eher an Narzissten gerät?
Ja, ohne Zweifel. Manchmal passt das wie Schlüssel und Schloss zusammen: Schließlich muss man das Verhalten eines Narzissten ja erst mal ertragen. Abhängige Persönlichkeiten sind meist voller Wärme und Mitgefühl, aber auch ängstlich und suchen unbewusst Struktur und Stärke – die der Narzisst nach außen demonstriert. Er dagegen ist fasziniert von jemandem, der so emotional schwingen kann, weil er sich innerlich kalt und leer fühlt. Sein anfängliches Interesse schlägt jedoch ziemlich schnell um in Verachtung: Er empfindet diese anhängliche Liebe als zu unterwürfig. Diese Beziehungen dauern oft sehr lange, weil beide Partner Angst vor dem Verlassenwerden haben.

Gibt es eine Chance, einen Narzissten umzudrehen?
Meistens ist das eine verlorene Situation. Der Partner kann an dieser harten Schale schaben, wie er will: Ein Narzisst hat kein „inneres Gefäß“ für Zuneigung. Und er geht nicht in Therapie, weil er keine Hilfe zu brauchen glaubt – es sei denn, er gerät in eine existenzielle Krise. Die kann eintreten, wenn er tatsächlich verlassen wird. Dann stürzt seine Welt zusammen, das ist Kränkung pur und das Schlimmste, was man ihm antun kann. Einem Partner wäre also zu raten, sich zu lösen und aus sicherer Entfernung zu schauen, ob der Narzisst eine Therapie beginnt und etwas verändert. Aber Menschen mit einer narzisstischen Störung sind ja davon überzeugt, dass nur die anderen Therapie benötigen – was nach einer Beziehung mit einem narzisstisch gestörten Menschen durchaus der Fall sein kann.

Täuscht der Eindruck, dass unsere Gesellschaft immer narzisstischer wird?
Nein, das ist tatsächlich so. Der Narzissmus-Score, den man mit einem Fragebogen erfassen kann, nimmt dramatisch zu. Es gibt auch immer mehr schwer gestörte Menschen, die in Machtpositionen streben, in die sie überhaupt nicht gehören. Sie versuchen dort, ihre inneren Defizite zu kompensieren. Rechtspopulistische Parteien sind beispielsweise Sammelbecken für gestörte, narzisstische Persönlichkeiten. Lug und Betrug gehören hier ganz offen zur Methode. Am Ende fahren sie die Dinge an die Wand, weil es nur um die eigenen Vorteile geht.

Wie kommt es zu dieser Entwicklung?
Es ist immer schwerer, in unserer komplizierter werdenden Gesellschaft auf gesunde Weise ein starkes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Und das Selbstwertgefühl von Narzissten ist schwer gestört. Wenn man in sie hineinschauen könnte, dann stünde da: „Ich genüge nicht“, man wird durch nichts zufrieden. Und das versuchen sie mit Großartigkeit, Überheblichkeit und Macht zu überspielen. Dazu kommen der herrschende Konkurrenzdruck und Vorbilder, die suggerieren, dass man nur Erfolg hat, wenn man die Ellenbogen ausfährt. Diese Hass-Kommentare, die man im Netz lesen kann, stammen durch die Bank von Menschen, die ein schwer gestörtes Selbstwertgefühl haben – sonst kämen sie nie auf die Idee, andere so stark abwerten zu wollen.