Kann man eine Beziehung zu jemanden führen, der mehr in sich selbst verliebt ist als in irgendwen sonst? Wir erklären, was eine narzisstische Persönlichkeit bedeutet, auch für die Beziehung, wie Narzissten lieben und wie die narzisstische Persönlichkeitsstörung therapiert werden kann.
Narziss, ein bildschöner Jüngling, Sohn des Flussgottes Kephissos und der Quellnymphe Leiriope soll laut griechischer Mythologie an einer Quelle gestorben sein. Wie genau er starb, wird in verschiedenen Schriften unterschiedlich dargestellt. In der wohl bekanntesten Fassung der Geschichte verliebt sich der junge Mann in sein eigenes Spiegelbild, gerät in einen liebestollen Wahn und versucht verzweifelt sein Spiegelbild im Wasser zu greifen, zu umarmen und zu küssen, bis er ertrinkt.
Lässt sich dieser tragische Mythos auch auf moderne Narzissten übertragen? Sind sie tatsächlich so selbstverliebt, dass ihr Narzissmus bis zur Selbstzerstörung treibt?
Ganz so extrem ist Narzissmus nicht. Zumindest nicht immer. Wie auch bei anderen Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen gibt es auch ganz unterschiedliche Ausprägungen von Narzissmus.
Narzisstische Persönlichkeiten verlangen nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Bewunderung. Ihr Bedürfnis danach ist erkennbar stärker als bei anderen Persönlichkeiten. In ihrem Verlangen danach wirken sie oft arrogant, herablassend und selbstverliebt, sie neigen zur Selbstidealisierung. Besonders schwer fällt es ihnen, sich in andere hineinzuversetzen, mit Kritik umzugehen und Scheitern oder Misserfolg zu verarbeiten.
Soweit die grobe gesellschaftliche Wahrnehmung eines Narzissten. Dabei ist das Phänomen aber wesentlich komplexer und lässt sich klar in Narzissmus und narzisstischer Persönlichkeitsstörung unterscheiden.
Narzissten, also Menschen mit Narzissmus als Persönlichkeitseigenschaft, sind zwar selbstzentriert, aber dabei auch sehr ehrgeizig und entsprechend erfolgreich in dem was sie tun. Wird aus dem Narzissmus eine Persönlichkeitsstörung, spricht man auch von pathologischem Narzissmus, der zur krankhaften Belastung für den*die Betroffenen und das Umfeld wird. Etwa 0,4 % der Bevölkerung werden mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, wobei Männer häufiger betroffen sind als Frauen. Viele Betroffene leiden an Depressionen, andere Persönlichkeitsstörungen, Ängsten, Essstörungen, Suchtproblemen oder an körperlichen Beschwerden ohne erkennbare organische Ursachen und wenden sich deshalb an Psychologen. Erst dann wird Narzissmus als Persönlichkeitsstörung oft sehr spät erkannt.
Narzissten können Beziehungen führen. Allerdings sind sie in der Regel auf der Suche nach Partner*innen, die ihnen die Bewunderung und Anerkennung schenken, die sie brauchen. Selbstbewusste Menschen meiden sie meist.
Experten haben verschiedenen Konstellationen von Beziehungen mit Narzissten und anderen Persönlichkeitstypen ausgemacht. Manche davon können funktionieren, wobei es darauf ankommt, wie stark der Narzissmus ausgeprägt ist. Andere bieten viel Konfliktpotential.
Der Komplementärnarzisst kann sich anpassen und unterordnen, hat ein niedriges Selbstwertgefühl, ist es gewohnt abgewertet zu werden, auf seine Wünsche und Bedürfnisse zu verzichten und sieht kaum die eigene Wichtigkeit. In Beziehungen projizieren Komplementärnarzissten all das auf ihre*n Partner*in, was sie selbst gerne wären, leben nur noch für die Partnerschaft und idealisieren den*die anderen.
Gerade zu Beginn der Beziehung findet es der Komplementärnarzisst als nicht anstrengend, sondern als Aufgabe dem Narzissten alles recht zu machen. Er findet Erfüllung in der selbstlosen Fürsorge, kann sich mit der selbstbewussten Person in seinen Wünschen identifizieren und findet den gesuchten erhofften Schutz in der Beziehung. Während der Narzisst umgekehrt Bewunderung und Bestätigung erfährt. Es liegt aber in der Natur des Narzissten. andere zu erniedrigen. Komplementärnarzissten können dies zwar ertragen, aber Streit und fehlende Harmonie ertragen sie nicht.
Ein Teufelskreis entsteht. Während die eine Seite nach Harmonie sucht und sich im Bestreben danach immer weiter unterwirft, ohne die egoistischen übertriebene Züge des Narzissten in Frage zu stellen, nutzt die anderen Seite diese Persönlichkeitszüge weiter aus. Das Spiel findet kein Ende, da der Narzisst seine innere Leere niemals füllen und den Wunsch nach Anerkennung niemals stillen wird.
Viele Narzissten verstehen es ihrem Partner in seltenen Momenten gerade soviel Liebe und Dank entgegen zu bringen, dass der Komplementärnarzisst nicht ganz an der Beziehung erschöpft oder zerbricht. Was auf den ersten Blick, wie die perfekte Ergänzung erscheint in der sich beide Seiten das aus der Beziehung holen, was sie brauchen, um ihre beiden Minderwertigkeitsgefühle zu überwinden, ist auf Dauer aber eine sehr einseitige Beziehung, die besonders kräftezehrend für den Komplementärnarzissten wird.
Schließlich liegt bei beiden, sowohl beim Komplementärnarzissten als auch beim Narzissten die gleiche Grundstörung vor: Sie leiden an mangelndem Selbstwertgefühl. Allerdings reagieren beide darauf ganz unterschiedlich. Der Narzisst kann Fordern und Nehmen, der Komplementärnarzisst muss Gehorchen und Geben. Während die einen Bedürfnisse überbewertet werden, werden die anderen unterbewertet. Dabei hoffen die leichtgläubigen naiven Partner der Narzissten, die immer an das Gute im Menschen glauben, dass Liebe und Fürsorge den arroganten herablassenden Narzissten “heilen” werden doch das gelingt nie.
Diese Kombination ist selten bis unwahrscheinlich, da der Narzisst sich Partner sucht, die sich ihm unterordnen. Von Menschen, die sich selbst genug schätzen, seinen Launen nicht folgen und sich als gleichwertig ihm gegenüber betrachten, wird Narziss demontiert. Er empfindet sich selbst als herabgewürdigt, nur weil sein Gegenüber gefestigt und sicher ist.
Viele Narzissten verstehen es ihrem Partner in seltenen Momenten gerade soviel Liebe und Dank entgegen zu bringen, dass der Komplementärnarzisst nicht ganz an der Beziehung erschöpft oder zerbricht.
Streit ist vorprogrammiert. Während der Narzisst nach Anerkennung und Bewunderung schreit, bringt die andere Person ihm sachliche fundierte Argumente entgegen und weigert sich ihm die bedingungslose Vergötterung zu geben, nach der er verlangt. Narzissten greifen im Streit eher zu List und Tücken, scheuen nicht davor zurück verletzend, herablassend und entwürdigend zu werden. Wer seinen Selbstwert kennt, wird dies nicht lange mitmachen.
Für Narzissten könnte diese Beziehung von Vorteil sein, wenn sie sich auf reife Persönlichkeit einlassen. Sie könnten gesundes zwischenmenschliches Verhalten, Umgang mit Kritik und Gleichberechtigung lernen und abschauen. Allerdings passiert dies in den seltensten Fällen. Meist ist diese Verbindung nur sehr kurzlebig.
Der*die typische Partner*in eines Narzisste kann durch folgende Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen beschrieben werden:
braucht ein friedvolles Gleichgewicht zwischen seelischen Empfinden und der Außenwelt
reagiert stark auf Außenreize
ist immer empfänglich für Signale und Reize
lässt sich schnell verunsichern
gibt im Streit nach, um Harmonie zu sichern
lässt die eigenen Bedürfnisse und Rechte außer Acht
leistet kaum bis nie Widerstand
ist sehr dankbar
freut sich übermäßig über Nettigkeiten und liebe Worte
braucht einen netten liebevollen Umgang für die eigene Leistungsfähigkeit
sucht im Partner Stärke und Selbstbewusstsein
will es anderen jederzeit recht machen
empfindet es als Genugtuung dem Narzissten gerecht zu werden
strengt sich besonders an um dem Narzissten zu gefallen
Narzissten können sich nicht in andere Menschen hineinversetzen und empfinden sich selbst immer als wichtiger gegenüber allen anderen. Eine Beziehung zu so jemanden aufzubauen, ist besonders schwierig - aber nicht unmöglich. Wenn man die Symptome kennt und schließlich erkennt, fällt es leichter mit Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung umzugehen.
Doch zu welchem Preis? Beziehungen mit Narzissten sind in allen der oben beschriebenen Fälle anstrengend. Hat man also einen Narzissten als solchen erkannt, gilt es den richtigen Umgang mit ihnen zu finden, ohne den eigenen Selbstwert in der Beziehung aufzugeben.
In erster Linie muss die narzisstische Persönlichkeit sich behandeln lassen. Dazu lässt sich kein Narzisst drängen. Sie müssen selbst zur Einsicht gelangen, wenn ihnen die Beziehung, aber auch das restlichen Umfeld wichtig genug ist und sie die Schwierigkeiten erkennen. Außerdem brauchten aber auch die Partner*innen der Narzissten therapeutische Hilfe. Paartherapien sind dann auch eine gute Lösung. Gerade wenn Kinder in der Beziehung involviert sind, müssen gerade diese geschützt werden.
Besonders problematisch sind Trennungen von Narzissten. Wenn sich die Beziehung nicht mehr retten lässt und der Narzisst auch keine Hilfe in Anspruch nehmen will, dann sind sie allerdings der einzige Ausweg. Die kritikunfähigen Narzissten können mit Zurückweisung nicht umgehen, sie können den*die andere*n nicht verstehen, die eigenen Gefühle nicht einordnen und verbergen ihre Verletzlichkeit hinter Wut und Aggression.
Auf die eigene Ablehnung und Zurückweisung bei einer Trennung reagieren Narzissten mit Rache. Sie wollen ihre Expartner*innen erniedrigen, bestrafen und verletzen. Die Schuld an der gescheiterten Beziehung sieht ein Narzisst nie bei sich. Ihm ist nur wichtig als Sieger aus der Trennung hervorzugehen. Als Partner*in gilt es dann sich möglichst gegen die Angriffe abzuschirmen und sich von der narzisstischen Persönlichkeit zu lösen, damit sie keine Macht mehr über den eigenen Selbstwert hat.
Wenn ein Narzisst sich freiwillig in therapeutische Behandlung begibt, dann aufgrund von anderen psychischen Störungen. Aber dann kann ihm durch psychotherapeutische Verfahren geholfen werden seine narzisstischen Störungen zu überwinden.
In der Therapie lernen Narzissten ihre eigenen Verhaltensweisen und Gefühle zu verstehen und einzuordnen. Sie erlernen und erarbeiten sich Empathiefähigkeit, Kritikfähigkeit und entwickeln Verhaltensstrategien, um zwischenmenschliche Beziehungen zu erleichtern. Sie lernen sich realistische Ziele zu setzen und den eigenen Ehrgeiz zu zügeln, um sich selbst und andere damit nicht zu verletzen.
Die Therapie soll den Narzissten nicht zu einem anderen Menschen machen, sondern sein Leben erleichtern und verbessern, indem er Verhaltens- und Denkweisen trainiert, die ein harmonisches Zusammenleben ermöglichen.
Damit die Narzissmus-Therapie gelingen kann, braucht der*die Patient*in großes Vertrauen in den*die Therapeut*in, was narzisstischen Personen häufig sehr schwer fällt. Hilfe zu suchen, empfinden sie als Scheitern. Auch den*die Therapeut*in werten sie, wie alle anderen, ab um sich überlegen zu fühlen. Sie suche auch in dieser Situation nach Anerkennung. Doch gelingt es ihnen sich zu öffnen und zu vertrauen, dann kann die Therapie wahre Wunder bewirken. Und zwar nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Beziehung.
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