Platon bezeichnete sie als die höchste Form der Liebe. Kritiker tun sie als nervige Zwischenstufe auf dem Weg zu einer Beziehung ab, vergleichen sie mit Freundschaft oder bezeichnen sie gar als Ausrede. Was ist platonische Liebe nun und wie kann eine platonische Beziehung funktionieren? Das lesen Sie hier und wir zeigen auf, wann es eine echte Bereicherung sein kann.
Platonische Liebe ist Liebe ohne Körperlichkeiten. Genauer beschrieben könnte man sagen platonische Liebe ist Liebe ohne sinnliche und intime Berührungen und Liebkosungen, dafür aber mit ganz viel Zuneigung, Vertrauen und Gefühlen. Sie ist einer klassischen Liebesbeziehung sehr ähnlich, findet aber nur auf der seelischen Gefühlsebene statt und klammert die körperliche Eben aus.
Platonische Liebe kann monogam und exklusiv sein. In anderen Fällen gibt es aber auch Beziehungsmodelle, in denen eine platonische Beziehung zu einer Person und eine körperliche erotische Beziehung zu einer anderen Person geführt wird. Theoretisch könnte man alle Beziehungen, bei denen der rein körperliche Aspekt wegfällt, als platonisch bezeichnen. Zum Beispiel ein Paar, welches sich nicht mehr sexuell zueinander angezogen wird oder auch einfach Geschwister, die sich auf einer ganz anderen Ebene lieben.
Für den griechischen Philosophen war diese Form der Liebe die höchste reinste Form einer zwischenmenschlicher Beziehung und somit ein erstrebenswertes Ziel. Er beschreibt die platonische Liebe als innig, nachhaltig, belastbar und besonders vertraut. Im Konzept der platonischen Liebe spielt aber auch Eifersucht und Verlustängste eine Rolle. Trotzdem war nicht er es, der den Begriff der Platonischen Liebe in die Welt setzte. Erst im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Bezeichnung der Platonischen Liebe für diese unschuldige Art der Zuwendung.
Es mag für manche, die bisher hauptsächlich klassische Liebesbeziehungen geführt haben, befremdlich klingen. Dabei hat die platonische Liebe ihre ganz eigenen Vorzüge gegenüber anderen Formen von Liebesbeziehungen.
Was genau schätzen die Befürworter der platonischen Liebe an dieser Form der Zuneigung und Beziehungsführung?
Platonische Liebe ist tiefgründiger: Der platonischen Liebe wird nachgesagt, dass sie tiefere Gefühle zulässt, da die körperliche Anziehung keine Rolle spielt und sich alle Parteien nur auf ihre Gefühle konzentrieren.
Platonische Liebe ist vielschichtiger: Platonische Beziehungen finden auf mehreren Ebenen statt. Indem man sich ganz ohne körperliche Ablenkung auf den anderen fokussiert, entdeckt man mehr Seite an dem*der Partner*in.
Geborgenheit und Vertrautheit: Auch ohne erotische Zärtlichkeiten kann eine zwischenmenschliche Beziehung sehr innig sein und Geborgenheit geben. Liebe Worte und Geste, drücken Zuneigung noch mehr aus als heißer Sex - und Kuscheln kann man schließlich trotzdem.
Kommunikation: In platonischen Liebesbeziehungen wird meist offener und mehr kommuniziert. Das heißt nicht, dass dies in körperlichen romantischen Beziehungen nicht möglich wäre, aber meist lassen platonische Beziehungen mehr Freiraum und Sicherheit für ehrliche Gespräche.
Unterschiedliche Bedürfnisse: Sex birgt so viel Potenzial für Uneinigkeit. Was dem einen gefällt wird dem anderen zu viel und was den einen überfordert, ist dem anderen noch zu wenig. Da Körperlichkeiten in der platonischen Liebe gar keine Rolle spielen, fällt dieser Streitpunkt weg.
Trotzdem funktioniert die platonischen Liebe nicht für jedes Paar. Im Gegenteil es ist gar nicht so einfach eine platonischen Beziehung zu führen.
Direkte Nachteile gegenüber einer körperlichen Liebesbeziehung bringt die platonische Liebe eigentlich nicht. Denn sie kann nur dann funktionieren, wenn beide Partner*innen kein sexuelles Verlangen, dafür aber echte Liebe füreinander empfinden. Dann ist die platonische Form der Beziehung weder schwieriger noch komplizierter als andere Beziehungsmodelle es sind. Dann lebt auch die platonische Liebe von Nähe, Intimität, Vertrauen und Geborgenheit, verlangt nach offener Kommunikation und Ehrlichkeit.
Aber sind platonisch Liebende, dann nicht einfach “nur” Freunde? Oder was genau ist der Unterschied zwischen einer platonischen Liebesbeziehung und Freundschaft? Wir klären die Parallelen, worin sich die Beziehungen unterscheiden und warum der Begriff Friendzone problematisch ist.
Tatsächlich sind platonisch Verliebte keine Freunde und platonische Liebe ist ganz klar nicht mit Freundschaft zu verwechseln. Auch Freundschaft kann sehr innig sein, man kann Eifersucht empfinden und Freunde vermissen. Aber jede*r, der/die schon mal verliebt war, der weiß, wie anders sich Liebe anfühlt. Auch wenn man seine besten Freunde liebt, tut man dies doch auf eine andere Art als man seine Partner*innen liebt. Liebe ist meist noch intensiver, intimer, braucht Loyalität, Vertrauen und Treue, kann aber auch mehr weh tun und verlangt einem mehr Hingabe bis hin zu einer gewissen emotionalen Abhängigkeit ab.
Trotzdem sind die Grenzen nicht messerscharf gezogen und können leicht verschwimmen. Schließlich kann man sich in einer Freundschaft auch sehr nahe an eine platonische Liebe heranbewegen, je nachdem wie eng und intensiv die Freundschaft wird.
Die sogenannte Friendzone ist jedoch etwas anderes beschreibt meist eine einseitig gewollte Freundschaft. Eine Seite ist verliebt während, die andere keine romantischen Gefühle empfindet. Nun nimmt eine Seite die Freundschaft quasi in Kauf, in der Hoffnung, dass daraus Liebe werden könnte oder mit dem Gedanken, eine Freundschaft sei besser als gar kein Kontakt, während die andere Seite ernsthaft an der Freundschaft interessiert ist. Dies ist schmerzhaft für den*die eine*n und unfair gegenüber dem*der anderen.
Nun haben wir geklärt, was platonische Liebe ist, welche Vorteile sie mit sich bringt und wie sie sich von Freundschaft abgrenzt. Und nun stellen wir die Frage, ob es sie überhaupt gibt? Das mag an dieser Stelle seltsam erscheinen, aber tatsächlich ist die die Forschung nicht ganz einig, ob platonische Liebe nun existiert oder nicht.
Aus Sicht der Evolutionsforschung gibt es sie tatsächlich nicht. Die Wissenschaft, die sich mit der Entwicklung des Menschen befasst, sagt ganz klar, Menschen sind biologisch daran interessiert, eine*n Sexualpartner*in zur Fortpflanzung zu finden.
Aber Menschen sind nun mal mehr als ihr Sexualtrieb. Noch mehr als jede*r von uns körperliche Nähe und Zuneigung braucht, braucht jede*r von uns Liebe. Gefühle sind vielschichtig und wandelbar. Menschen können durchaus Liebe empfinden, ohne das Verlangen nach Sex. Und Beziehungen können auch auf platonischer Ebene funktionieren. Es gibt genügend Fälle, die dies beweisen. Oder Liebesbeziehungen, die sich von einem körperlichen, erotischen Verhältnis zu einem platonischen entwickeln und umgekehrt. Also selbst wenn Evolutionsforscher*innen in einigen Fällen Recht behalten sollten und aus platonischen Beziehungen schließlich körperliche werden, dann hat die platonische Liebe davon trotzdem stattgefunden und funktioniert.
Skeptische Stimmen führen immer wieder an, dass Männer und Frauen nicht befreundet sein können, weil früher oder später körperliche Anziehung und oder romantische Gefühle die Freundschaft belasten würden. Da es schließlich sehr viel mehr Formen der Liebe gibt als die zwischen Mann und Frau, gibt es auch zwischen allen Geschlechtern platonische Liebesbeziehungen. Aber ja: Aus platonischer Liebe kann auch mehr werden, wenn beide Seiten romantische Gefühle entwickeln.
Welches Geschlecht die involvierten Liebenden haben, spielt bei der platonischen Liebe keine Rolle. Was zählt ist die tiefe innige Verbundenheit, die stärker ist als eine gute Freundschaft. Man empfindet Liebe für jemanden und begibt sich in die emotionale Abhängigkeit inklusive der notwendigen Treue und dem notwendigen Vertrauen.
Auch wenn wir eingangs über die Vorzüge von platonischer Liebe gesprochen haben, bedeutet dies nicht, dass eine platonische Liebesbeziehung einfach ist. Im Gegenteil, eine platonische Beziehung ist nichts für jede*n. Ob man eine platonische Liebesbeziehung führen kann, muss man selbst herausfinden. Dafür gibt es tatsächlich nur einen Weg: Man muss es ausprobieren. Dabei so offen und ehrlich wie möglich kommunizieren wie man sich fühlt und was man braucht.
Trotzdem kann man, bevor man sich ganz auf eine platonische Beziehung einlässt, sich selbst einige Fragen stellen, um in sich hineinzuhören und herauszufinden, ob man bereit für die platonische Liebe ist.
Kennt mich der*die andere sehr gut?
Gibt mir die Beziehung das Gefühl von Geborgenheit?
Empfinde ich Sicherheit, sodass ich immer ehrlich sein kann?
Plane ich den*die andere*n in meine Zukunft ein?
Kann ich in einer Beziehung ohne Sex treu sein?
Wenn alle Antworten Ja lauten, stellt man sich am besten noch folgende Fragen:
Wünsche ich mir körperliche Nähe von meiner Partner*in?
Habe ich erotische Träume vom anderen?
Kann ich mir ein Leben ohne den*die andere*n vorstellen?
Wenn nun alle Antworten Nein lauten, dann kann man das Thema platonische Liebe und platonische Beziehung ansprechen und seine Gefühle und Gedanken kommunizieren. Beide Partner besprechen, ob es neben der platonischen Beziehung noch andere, rein körperliche Begegnungen oder zwischenmenschliche Beziehungen ohne romantische Gefühle geben kann, und wie genau sie sich die platonische Beziehung vorstellen. Man muss nichts labeln, betiteln oder erzwingen. Liebe werden beide empfinden, wenn sie bereit sind und alles Weitere wird man gemeinsam herausfinden, erkunden und lernen.
Nur solange man in der platonischen Verbindung ehrlich bleibt, bekommen alle genau das, was sie brauchen. Dann kann platonische Liebe eine echte Bereicherung sein.