Gesund leben

Stevia, Kokosblüten & Co.: Wie gesund sind Zuckeralternativen?

Honig in einer Zuckerschale als Zuckerersatz. | © JGI/Jamie Grill, Getty Images
© JGI/Jamie Grill, Getty Images
Sind Honig, Xylit und Co. eine gesunde Alternative? Wir nehmen die beliebtesten Süßungsmittel unter die Lupe.

Schon lange gilt er als verteufelt: der weiße Zucker. In Bio- und Supermarktketten türmen sich die Angebote an süßen Alternativen, die angeblich gesünder sind. Doch sie bergen auch gewisse Risiken. Wir stellen Agavensirup, Stevia und Co. vor und erklären Ihnen die gesundheitliche Wirkung der Zuckeralternativen.

Die von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Höchstmenge an Zucker überschreiten wir hierzulande im Schnitt um das Dreifache: Sage und schreibe 36 Kilogramm des süßen Stoffs nehmen wir pro Jahr zu uns – Mediziner schlagen seit langem Alarm. Kein Wunder, ist übermäßiger Zuckerkonsum doch maßgeblich für Übergewicht und Adipositas verantwortlich und erhöht so das Risiko weiterer westlicher Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2.

Die Zuckerfalle

Besonders gemein: Nicht der von uns selbst zugefügte Zucker wie etwa im Tee oder Kaffee ist das Problem, sondern die versteckten Süßstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln. Egal ob Backwaren, Milchprodukte oder Fertiggerichte – überall ist Zucker drin, meist in übermäßigen Mengen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt vor allem vor gesüßten Getränken, die auf die Schnelle die Energiebilanz in die Höhe treiben. Besonders Kinder und Jugendliche, die von der Lebensmittelindustrie geschickt (und dreist) geködert werden, laufen unbewusst Gefahr, das empfohlene Tageslimit um ein Vielfaches zu überschreiten.

Obwohl nach der Verarbeitung der Zuckerrübe fast keine Mineralien und Vitamine mehr enthalten sind, können wir uns den leeren Kalorien nur schwer entziehen. Schuld daran ist das Belohnungssystem im Gehirn, das beim Zuckerkonsum anspringt. Forscher gehen davon aus, dass der Prozess nach den gleichen Mustern abläuft, wie bei Drogen. Und weil der Zucker direkt ins Blut geht und keinen Umweg über den Darm macht, schnellt der Blutzuckerspiegel rasant in die Höhe – fällt aber durch die Insulinregulierung auch genauso schnell wieder ab. Das erzeugt erneuten Heißhunger. Ein Teufelskreis. Doch sind Zuckeralternativen wirklich die gesündere Lösung?

Honig

Bei Erkältungen, etwas erhöhter Temperatur und kleinen Wunden schwören viele auf Honig, da seine Inhaltsstoffe leicht entzündungshemmend wirken sollen – wissenschaftliche Belege gibt es dafür jedoch nicht. Im Gegensatz zu Zucker beinhaltet er einige Vitamine und Mineralstoffe wie etwa Magnesium, Kalium und Eisen, doch im Großen und Ganzen besteht Honig auch nur aus Zucker, in diesem Fall aus Frucht- und Traubenzucker. Zwar hat Honig etwas weniger Kalorien, aber dafür auch eine geringere Süßkraft – eine höhere Dosierung ist meist die Folge.

Auch gesundheitliche Risiken sind beim Honig nicht auszuschließen: Allergiker können überempfindlich auf beinhaltende Pollen reagieren. Außerdem kann es zu einer bakteriellen Kontamination kommen, da einige Bakterien im Honig überleben und gefährliche Krankheitserreger freisetzen können. Vor allem Säuglinge sind gefährdet, da ihre Darmflora noch nicht vollständig entwickelt ist. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfiehlt, den Kleinsten bis zu einem Alter von zwölf Monaten überhaupt keinen Honig zu geben – die Gefahr des Säuglingsbotulismus, der meist bleibende Schäden mit sich bringt, ist zu hoch. Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) haben zudem gezeigt, dass in vielen Honigproben – vor allem in Rohhonig aus Süd- und Mittelamerika – krebsauslösende und teils giftige Pflanzenstoffe enthalten sind, kleinste Plastikteile (Mikroplastik) wurden ebenfalls in einigen Proben gefunden.

Sirups und Dicksäfte

Eingedickte Säfte als Süßungsmittel werden schonender hergestellt als der stark verarbeitete Zucker – bezüglich Mineralstoffgehalt und Co. punktet der Sirup also. Doch egal ob Ahornsirup, Agavendicksaft oder vergleichbare Produkte aus Birne, Apfel oder Trauben: Der hohe Fruchtzuckeranteil (Fruktose) kann zu einigen Problemen führen, Fruchtzuckerunverträglichkeit ist nur eines davon. Neben Verdauungsproblemen wie Blähungen und Durchfall haben Studien belegt, dass zu viel des natürlichen Zuckers den Stoffwechsel beeinträchtigen, in manchen Fällen sogar zu einer Insulinresistenz führen kann. Zwar sind die Produkte meist energieärmer als Zucker, was aber nur auf den hohen Wassergehalt zurückzuführen ist. Durch die verminderte Süßkraft wird auch hier oft überdosiert – bye-bye, Kalorienvorteil.

Reissirup ist vor allem in der veganen Küche sehr beliebt und dient oft als Honigersatz. Wer unter einer Fruktose-Intoleranz leidet, greift auch gern darauf zurück, da der sogenannte Reishonig keinen Fruchtzucker enthält. Doch auch hier bedingt der Wassergehalt die vergleichbar geringere Kalorienanzahl – um die gleiche Süße wie bei Zucker zu erhalten, braucht man hier also auch eine ganze Menge.

Kokosblüte: Zucker und Sirup

Palmzucker, Kokosblütenzucker, Luxuszucker – der Zucker aus der Blüte der Kokospalme trägt viele Namen. Das Produkt als Sirup oder Zucker liegt seit einigen Jahren sehr im Trend, angeblich steigt der Blutzuckerspiegel bei Einnahme nur sehr langsam an, von Heißhungerattacken keine Spur. Umfassende Informationen und Studien zu Vitamin- und Mineralstoffgehalt sowie gesundheitlicher Wirkung fehlen jedoch noch. Nur eins ist klar: Die Produktion ist aufwendig – deshalb auch der Kilopreis zwischen 20 und 40 Euro – und die Transportwege sind immer lang. Etwas dürftig für eine gesunde Zuckeralternative.

Zuckeraustauschstoffe: Xylit und Erythrit

Den Zuckeralkohol Xylit kennen die meisten aus der Kaugummiwerbung: Der aus Harthölzern, Stroh oder landwirtschaftlichen Resten industriell hergestellte Süßstoff kann nachweislich Karies vorbeugen und wird auch gern in anderen Süßigkeiten verwendet. Er hat nicht nur 40 Prozent weniger Kalorien als der „böse“ weiße Zucker, sondern punktet auch durch seinen niedrigen glykämischen Index. Zu häufig sollte man aber nicht auf die zahnfreundliche Zuckeralternative zurückgreifen – in höheren Dosierungen wirkt auch sie abführend und blähend. Und für alle Hundehalter: Vorsicht! Auf einige Rassen wirkt Xylit äußerst toxisch.

Noch relativ unbekannt ist der Zuckeraustauschstoff Erythrit. Dabei hat er einen großen Vorteil: Er ist völlig kalorienfrei. Verdauungsprobleme können aber auch hier auftreten, die Gefahr der Überdosierung ist aufgrund der geringen Süßkraft (70 Prozent weniger als Zucker) relativ hoch. Trotzdem ist der Zuckeralkohol, der aus Mais oder Traubenzucker sowie Pilzen zur Fermentierung hergestellt wird, vor allem für Diabetiker eine geeignete Alternative.

Stevia

Erst als Wundermittel hochgelobt, dann als notorischer Etikettenschwindel entlarvt: Produkte aus dem Honigkraut Stevia, auch als Süßkraut bekannt. Das ursprünglich aus Südamerika stammende Gewächs versüßt bereits seit Jahrhunderten die dortigen Mahlzeiten, hierzulande wurden Stevioglycoside – der chemisch gewonnene Extrakt der Pflanze, bei dessen Herstellung etwa 90 Prozent der pflanzlichen Stoffe vernichtet werden – erst im Jahr 2011 in der EU zugelassen. Reine Naturprodukte sind die handelsüblichen Angebote in den Märkten also nicht. Werbeversprechen wie „Steviazucker“, „natürlicher Süßstoff Stevia“ und Co. sind somit falsche Deklarationen.

Zugemischt werden dem Süßstoff, der bis zu 450 Mal süßer als Haushaltszucker sein kann, zudem meist andere Süßmacher, da die von der EU erlaubte Menge in Produkten relativ niedrig angesetzt ist. So setzte die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) die maximale Tagesdosis auf vier Milligramm pro Kilo Körpergewicht an. Problematisch sind deswegen vor allem mit Stevioglycosiden gesüßte Getränke, die oft zu einer Überdosierung führen.

Trotzdem ist der Stevia-Extrakt in empfohlenem Maße vor allem für Diabetiker ein guter Zuckerersatz, da er keine Auswirkungen auf die Regulation des Insulinstoffwechsels hat und völlig kalorienfrei ist. Doch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) weist darauf hin: „Stevia ist eine weitere Alternative zu Zucker, die keine Kalorien erhält. Nicht mehr und nicht weniger,“ so DDG-Präsident Professor Dr. med. Stephan Matthaei.

Gelernte Lust am Süßen

Es gibt einige Vorzüge, die die Alternativen zum weißen Zucker mit sich bringen. Doch auch wenn sie teilweise in puncto Geschmack, Kalorien und Nährstoffe die Nase vorne haben – gesundheitsfördernd sind sie alle nicht. Zudem sorgen der meist große ökologische Fußabdruck sowie die schwierige Dosierung zu Unsicherheiten und übermäßigem Verzehr. Am besten ist es, die Zuckerzufuhr generell zu verringern, ein langsames Umerziehen der Geschmacksnerven führt zu dauerhaftem Erfolg. Statt verarbeiteten Lebensmitteln lieber selber und frisch kochen. Schneller als man denkt, gewöhnt man sich an die zuckerarme Ernährung – der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier.